Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattungsfähigkeit von Kosten für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Vorverfahren. Drittfinanzierung der Kosten der anwaltlichen Vertretung durch Leistungserbringer im Rechtsstreit des Versicherten gegen die Krankenkasse

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Erstattungsfähigkeit von Kosten für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Vorverfahren im Rechtsstreit des Versicherten gegen die Krankenkasse auf Gewährung einer Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn der Leistungserbringer dem Versicherten zuvor Freistellung vom Kostenrisiko zusichert und den Rechtsanwalt als Vertreter im Vorverfahren vermittelt hat und die Kosten der anwaltlichen Vertretung gemeinschaftlich durch einen Verbund von Leistungserbringern getragen werden, ohne dass offen gelegt wird, ob die Drittfinanzierung der Prozessvertretung unbedingt und mit befreiender Wirkung auch gegenüber der Behörde oder nur im Unterliegensfall bei Fehlen eines Erstattungsanspruchs nach § 63 SGB 10 eingreift.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten der anwaltlichen Vertretung der Klägerin im Vorverfahren.

Mit Bescheid vom 29.03.2005 lehnte die Beklagte einen - mit Bescheid vom 12.01.2004 und Widerspruchsbescheid vom 19.05.2004 zuvor abgelehnten und wegen zwischenzeitlich gebessertem Gesundheitszustand am 04.07.2004 und 14.03.2006 erneuerten - Antrag der Klägerin auf Versorgung mit einem Rollstuhl ab.

Am 09.04.2005 bevollmächtigte die Klägerin die Prozessbevollmächtigten zur Vertretung gegenüber der Beklagten im Vorverfahren.

Auf den am 15.04.2005 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch vom 13.04.2005 hin bewilligte die Beklagte mit an die Klägerin persönlich gerichtetem Bescheid vom 24.10.2005 und an ihre Bevollmächtigten gerichtetem Bescheid vom 17.11.2005 den beantragten Rollstuhl.

Mit am 23.11.2005 bei der Beklagten eingegangener Kostennote vom 21.11.2005 machten die Bevollmächtigten der Klägerin gegenüber der Beklagten als Kosten des Vorverfahrens eine anwaltliche Gebührenforderung in Höhe von 301,60 EUR geltend.

Auf eine Anfrage der Beklagten vom 01.02.2006, ob und welche Absprachen zu den Anwaltskosten im Zusammenhang mit dem Vorverfahren getroffen worden seien, teilte der gesetzliche Vertreter der Klägerin auf einer am 02.03.2006 bei der Beklagten eingegangenen Erklärung vom 27.02.2006 mit, dass die Vollmacht den Prozessbevollmächtigten schriftlich erteilt worden sei, über den Fortgang des Verfahrens sei er schriftlich informiert worden, es sei eine kostenlose anwaltliche Vertretung zugesagt worden.

Die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung mit Bescheid vom 11.04.2006 ab. Kosten des Vorverfahrens seien nicht zu erstatten, weil keine entstanden seien, denn die Prozessbevollmächtigten hätten der Klägerin eine kostenlose anwaltliche Vertretung zugesagt.

Den am 23.04.2006 hiergegen erhobenen Widerspruch vom 19.04.2006 begründeten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin damit, dass keine kostenlose Beratung zugesagt worden sei. Die Kosten seien vielmehr durch eine Rechtsschutzversicherung gedeckt.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2006 , der am 23.06.2006 zugestellt wurde, zurück. Die Klägerin habe keine erstattungsfähigen Aufwendungen zu tragen gehabt.

Hiergegen richtet sich die am 13.07.2006 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage vom 11.07.2006. Die Bevollmächtigten der Klägerin machen geltend, jener keine kostenlose anwaltliche Tätigkeit zugesichert zu haben. Dem stünde schon Standesrecht (§ 49b Abs. 1 Satz 2 BRAO) entgegen, das allenfalls einen nachträglichen Erlass ermögliche. Die Kostendeckung erfolge über einen gemeinschaftlichen Pool der Leistungserbringer. Die Vertretung werde ausschließlich auf Wunsch und im Interesse der Klägerin durchgeführt. Die Klägerin habe bislang noch keine Zahlungen geleistet.

In der mündlichen Verhandlung haben sich die Bevollmächtigten der Klägerin - in Korrektur ihres früheren Sachvortrags - dahin gehend eingelassen, dass es für die Vertretung Versicherter unter Übernahme des Prozesskostenrisikos durch die Leistungserbringer zwei verschiedene Vereinbarungen gebe: Zum Einen eine Vereinbarung von einigen hundert Leistungserbringern, die gemeinsam in eine Rechtsschutzversicherung einzahlen, welche im Unterliegensfall für die Kosten der Vertretung im gerichtlichen Verfahren aufkomme, zum Anderen eine Vereinbarung, wonach die Kosten der anwaltlichen Vertretung im Vorverfahren durch den Leistungserbringerverbund selbst gedeckt werden. Im einen wie im anderen Fall sei nicht beabsichtigt, durch die Prozesskostenfinanzierung den Verfahrensgegner zu entlasten. Es handele sich um einen Vertrag zu Gunsten Dritter, der nicht die Krankenkasse von ihrer Zahlungspflicht befreien solle. Das Mandat werde den Rechtsanwälten direkt durch die Leistungserbringer vermit...

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