Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen Todes aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Witwenrente. widerlegbare Vermutung. Versorgungsehe. kurze Ehedauer. Versorgungsabsicht. lebensbedrohliche Erkrankung. Nottrauung im Hospiz

 

Leitsatz (amtlich)

Es obliegt der Witwe/dem Witwer, die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs 2a SGB VI zu widerlegen. Bei einer Nottrauung im Hospiz müssen besondere Umstände ersichtlich sein, die belegen, dass es sich nicht um eine Versorgungsehe handelt.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten der Klägerin hat die Beklagte nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Anspruch der Klägerin auf Bewilligung einer Witwenrente.

Die 1949 geborene Klägerin ist die Ehefrau des 1947 geborenen und am 18.08.2017 verstorbenen L.... H.... (nachfolgend Versicherter genannt).

Die Klägerin und der Versicherte waren bereits in der Zeit vom 08.06.1973 bis 01.09.1980 miteinander verheiratet. Seit 1992 waren sie wieder ein Paar und führten ihr Leben gemeinsam. Am 24.12.2015 machte der Versicherte der Klägerin einen Heiratsantrag, den diese annahm. Ursprünglich sollte die Hochzeit im Juni 2017 erfolgen. Im Dezember 2016 erkrankte der Versicherte an einem Sarkom rechts mediastinal (bösartige Geschwulst im Brustbereich) mit mediastinaler Lymphknotenmetastasierung und unterzog sich deshalb einer Chemotherapie. Am 16.08.2017 heirateten die Klägerin und der Versicherte im Rahmen einer Nottrauung im Hospiz. Am 18.08.2017 verstarb der Versicherte.

Den am 28.08.2017 gestellten Antrag auf Witwenrente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.01.2018 mit der Begründung ab, die Rechtsvermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI sei nicht entkräftet worden. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, bei dem Heiratsantrag am 24.12.2015 sei die Krankheit nicht bekannt gewesen. Die Hochzeit sei für den 08.06.2017 geplant gewesen, weil die Beziehung dann 25 Jahre Bestand gehabt hätte. Durch die Krankheit ihres Mannes sei die Hochzeit zweitrangig geworden. Wegen seines Gesundheitszustandes habe die Hochzeit nicht am 08.06.2017 stattgefunden. Um eine Versorgungsehe handle es sich nicht, denn ihr Ehemann habe sie bereits im Jahr 2001 testamentarisch abgesichert. Mit Bescheid vom 25.04.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Der Gesetzgeber lasse in Bezug auf die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe bei kurzer Ehedauer nur dann Ausnahmen zu, wenn besondere Umstände vorlägen, die trotz kurzer Ehedauer diese Annahme nicht rechtfertigten. Nach der Lebenserfahrung werde eine kurz vor dem Tod oder nach der Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung mit dem Versicherten geschlossenen Ehe oder Lebensgemeinschaft, die nicht länger als ein Jahr gedauert habe, meist aus Versorgungsgründen geschlossen. Diese Vermutung werde durch die langjährige voreheliche Lebensgemeinschaft nicht widerlegt. Es stelle sich im Gegenteil die Frage, weshalb die Ehe gerade zu diesem Zeitpunkt geschlossen wurde, wenn nicht aus Gründen der Versorgung. Dass die Klägerin bereits zuvor mit dem Versicherten verheiratet war, sei ohne Belang. Aufgrund der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten sei dessen naher Tod zum Zeitpunkt der Eheschließung deutlich zu erkennen gewesen, weshalb keine besonderen Umstände eines unvermuteten und medizinisch nicht vorhersehbaren Todes vorlägen. Auch die Weihnachtskarte mit dem Heiratswunsch lasse keinen besonderen Umstand erkennen, der zu einer Widerlegung der Versorgungsvermutung führte. Langjährige Heiratsabsichten könnten nur dann die Vermutung der Versorgungsehe widerlegen, wenn sie hinreichend konkret seien und sich als konsequente Verwirklichung einer schon vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsabsicht darstellten. Konkrete Maßnahmen, wie zum Beispiel eine Anmeldung oder Vorsprache beim Standesamt, sowie andere organisatorische Vorbereitungen um genau den gewünschten Hochzeitstermin am 08.06.2016 wahrnehmen zu können, seien nicht nachgewiesen. Die vorgetragene testamentarische Absicherung sei unkonkret. Das auf 1 Jahr begrenzte Wohnrecht in dem Haus lege eine Versorgungsabsicht nahe. Außerdem bestehe die Vermutung einer Versorgungsehe auch, wenn die Witwenrente eine bereits bestehende Versorgung aufbessere. Die Klage ging am 22.05.2018 beim Sozialgericht Dresden ein.

Die Klägerin macht geltend, die Vermutung einer Versorgungsehe sei widerlegt, weil der Entschluss zur Heirat bereits vor der Erkrankung des Ehemannes gefasst worden sei. Wäre eine Versorgungsehe Anlass der Heirat gewesen, wäre diese sicher schon kurz nach der Diagnose erfolgt. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg macht sie geltend, es reiche bereits aus, wenn die Heirat aus wirklichkeitsnahen Gründen nur aufgeschoben wurde, sofern der Heiratsentschluss nicht aufgegeben wurde. Dies sei hier der Fall. Dass der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt habe, lasse auch der Umstand erkennen, dass die Klägerin zunächst kein...

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