Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. Kontrollgang um den Lkw. Wiederbesteigen seines Fahrzeugs. Verschließen der Fahrertür

 

Orientierungssatz

Zum Vorliegen eines Arbeitsunfalles eines Fernfahrers während der nächtlichen Ruhe auf einem Lkw-Stellplatz, der nach einem Kontrollgang und nach dem Wiederbesteigen der Fahrerkabine beim Versuch die weitgeöffnete Fahrertür zu verschließen, verunglückte.

 

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 19.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2016 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Unfall des Klägers vom 13.01.2016 gegen 20:45 Uhr auf dem Stellplatz für Lkw an einer privaten Tankstelle in B… als Arbeitsunfall anzuerkennen.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Streitgegenständlich ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der 1967 geborene Kläger erlitt als Kraftfahrer im Fernverkehr am 13.1.2016 gegen 20.45 Uhr einen Unfall. Er befand sich seit 19 Uhr zur nächtlichen Ruhezeit auf einem Lkw-Stellplatz (Rastplatz) einer privaten Tankstelle in B…, L… Straße und hatte seine Mahlzeit eingenommen. Danach hatte er nochmals seinen Lkw verlassen. Beim Wiederbesteigen und Verschließen der Fahrertür des Führerhauses rutschte er ab, verlor den Halt und stürzte nach hinten auf eine Bordsteinkante, wobei er sich im Bereich des Rückens und der Hüfte prellte und mit dem Kopf am Boden aufprallte. Er verständigte bei zunehmenden Beschwerden gegen 21.40 Uhr den Notarzt Dipl.-Med. B…, der ihn gegen 22.05 Uhr in die Notaufnahme des Krankenhauses B…, dort zu D-Arzt Dipl.-Med. H… verbrachte. Gegen 0.45 Uhr des 14.1.2016 konnte er das Krankenhaus wieder verlassen und ließ sich mit einem Taxi zurück zum Lkw fahren. Am Folgetag setzte er seine Fahrt zu einem Kunden nach G… noch fort. Arbeitsunfähigkeit bestand bis zum 2.2.2016.

Das Ereignis wurde der Beklagten mit Unfallanzeige des Arbeitgebers des Klägers, der M… GmbH, vertreten durch H… M…, unter dem 18.1.2016 als Arbeitsunfall angezeigt. Darin wurde mitgeteilt, dass der Kläger den Lkw während der nächtlichen Ruhezeit verlassen habe wollen, um sich zur Toilette zu begeben. Dabei sei er von der Treppe abgerutscht und gestürzt.

Mit Bescheid vom 19.1.2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ab. Der Gang zur Toilette während der Ruhezeit gehöre zum unversicherten privaten Bereich und stehe nicht unter Versicherungsschutz.

Hiergegen richtet sich der Widerspruch des Klägers vom 28.1.2016. Er macht geltend, dass sich der Unfall ereignet habe, nachdem er die Frachtunterlagen gerichtet und seinen Rundgang um das Fahrzeug gemacht habe, um dieses zu kontrollieren. Auf dem Rückweg zum Lkw sei er beim Benutzen der Einstiegsleiter gestürzt. Es sei ihm unverständlich, wie anderslautende Informationen durch den Arbeitgeber getätigt worden sein können.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.6.2016 zurückgewiesen. Der Kläger habe den von ihm im Widerspruchsverfahren geltend gemachten Unfallhergang nicht voll beweisen können. Die Nichterweislichkeit gehe zu seinen Lasten. Die Angaben des Arbeitgebers vom 18.1.2016 seien nicht überzeugend widerlegt. Auch der Dipl.-Med. H… habe bestätigt, dass der Sturz beim Verlassen der Führerkabine erfolgt sei, nicht beim Besteigen.

Hiergegen richtet sich die Klage vom 3.8.2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag. Mit ihr knüpft der Kläger an den Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren an. Möglicherweise sei es für den Arzt Dipl.-Med. H… (Notarzt) ohne Bedeutung gewesen, ob der Unfall beim Besteigen oder Verlassen der Fahrerkabine erfolgt sei. Er selbst, der Kläger, sei ggfs. auch aufgeregt gewesen. Am folgenden Tag habe er nach der Rückkehr auf das Betriebsgelände seinem Arbeitgeber den Hergang geschildert. Er habe dabei nie erwähnt, dass er zur Toilette gegangen sei oder dies vorgehabt habe. Darauf komme es im Übrigen auch gar nicht an. Der WC-Besuch sei in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Es gehöre zu seinen Dienstpflichten, den Lkw zu verlassen und zu betreten.

Der Kläger beantragt,

Der Bescheid der Beklagten vom 19.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2016 (Az.: A 5 16005300F 98-HV-U) wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, den Unfall des Klägers vom 13.01.2016 auf dem Stellplatz für den Lkw an einer privaten Tankstelle in B… als Arbeitsunfall anzuerkennen und Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung im gesetzlichen Umfang zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Die später getätigten Angaben des Klägers zum Hergang des Unfalles stünden in Widerspruch zu denjenigen, die zeitnah nach dem Ereignis gemacht worden seien. Ursprünglich sei angegeben worden, dass sich der Unfall beim Aussteigen aus dem Lkw ereignet habe und ausgestiegen worden sei, um...

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