Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall im Jahr 1966. Nachweis der Unfallkausalität. Zeugenbeweis. Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität. fehlende Unterlagen hinsichtlich des Erstschadens. Sachverständigenbeweis im Jahr 2016. tatsächliche Angaben des Versicherten zum Unfallhergang. gerichtliche Würdigung

 

Orientierungssatz

1. Zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles aus dem Jahr 1966 wegen des Nachweises der Unfallkausalität im Wege des Zeugenbeweises (Schilderung des Unfallhergangs durch einen Arbeitskollegen), des Weiteren durch die dokumentierte Krankenbehandlung im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung sowie wegen des Nachweises der haftungsbegründenden Kausalität durch einen sachverständigen Unfallchirurgen im Jahr 2016.

2. Auch wenn das Sozialgerichtsgesetz keinen Parteibeweis kennt, weil § 118 Abs 1 S 1 SGG nicht auf die §§ 445 - 453 ZPO verweist, ist das Gericht nicht daran gehindert, die tatsächlichen Angaben der Beteiligten zum Unfallhergang frei zu würdigen.

 

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 12.6.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.9.2012 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, das Ereignis vom 14.3.1966 im Bereich der Gleisanlagen C. als versicherten Arbeitsunfall mit den Unfallfolgen Amputation des 5. Fingers der linken Hand und Teilamputation des 5. Mittelhandknochens links mit dadurch bedingten Narbenbildungen mit Gefühlsveränderungen in der gesetzlichen Unfallversicherung anzuerkennen.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Streitgegenständlich ist die Gewährung von Verletztenrente in der gesetzlichen Unfallversicherung.

Mit der vorliegenden Klage erstrebt der Kläger die Anerkennung eines Arbeitsunfalles aus dem Jahre 1966.

Der 1945 geborene Kläger arbeitete vom 14.9.1965 als Gleisbauhelfer bei dem VE Spezialkombinat Verkehrsbau E., Betriebsteil Industriebahnbau, Z.-Straße in E. Der Betrieb wurde später durch die Deutsche Reichsbahn (DR) der ehemaligen DDR übernommen. Nach zwischenzeitlichem Studium von 1967 bis 1972 bei der HfV Y kehrte er als Ingenieur zur DR zurück. Nach der politischen Wende kam er zur Deutschen Bundesbahn und verblieb dort bis zur Verrentung am 31.12.2009.

Der Kläger gibt an, am 14.3.1966 den streitgegenständlichen Arbeitsunfall erlitten zu haben. Am 14.3.1966 habe er Gleisbauarbeiten für ein Anschlussgleis in C. durchgeführt. Mit der Kleinlock seien Schienen und Schotter ausgetragen worden. Wegen einer Entgleisung sei gegen Mittag versucht worden, die Kleinlock mit einem Kran wieder aufzugleisen, was wegen der unzureichenden Lastentragfähigkeit nicht gelungen sei. Man habe es zusätzlich mit Handwinde und Zahnstangengewinde versucht. Die Winde sei dabei im Vorderbereich der Lok ausgerutscht und habe den kleinen Finger der linken Hand des Klägers und das zugehörige Gelenk der linken Hand samt anschließendem Mittelhandknochen stark gequetscht. Er habe zusätzlich Hautdefekte, Aufplatzungen, Sehnenverkürzungen am Ringfinger der linken Hand erlitten.

Mit Schreiben vom 28.3.2011 beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Eisenbahn-Unfallkasse in X., die Regulierung seiner Folgeschädigungen eines Arbeitsunfalles vom 14.3.1966.

Die Eisenbahn-Unfallkasse leitete daraufhin Amtsermittlungen ein zur Klärung des Ereignisses als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Bei dem Kläger wurden Auskünfte abgefragt. Er legte in Ablichtung seinen Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung der ehemaligen DDR vor. Nach dessen Eintragungen befand er sich in der Zeit vom 14.3.1966 bis zum 2.4.1966 stationär im Krankenhaus C. und danach bis 12.11.1966 in Anschlussheilbehandlung in der Poliklinik C. Im Verwaltungsverfahren teilte der Kläger mit, dass eine frühere Anerkennung des Arbeitsunfalles nicht erfolgt und Rentenzahlungen o. ä. nicht erbracht worden sind. Die Eisenbahn-Unfallkasse forderte weiter Auskünfte der Unfallkasse Sachsen-Anhalt, der BG-Bau, der Stadt A., der DB Mobility Logistic AG sowie beim Hausarzt Dr. D. ein. Die Ermittlungen erbrachten keine Nachweise über die frühere Anerkennung oder Registrierung des Arbeitsunfalles bei behördlichen Stellen. Die angefragten Stellen verfügten über keine, auch keine medizinischen Unterlagen. Der frühere Arbeitskollege des Klägers, der Zeuge D. wurde schriftlich gehört. Er bestätigte mit Schreiben vom 5.12.2011 den Arbeitsunfall als damaliger Augenzeuge (Blatt 42 der Verwaltungsakte (VA)).

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 12.6.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 14.3.1966 als versicherten Arbeitsunfall ab. Ein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe nicht (Bl. 51 d. VA). Unterlagen, die einen Arbeitsunfall belegen könnten, seien nicht mehr vorhanden. Die Zeugenaussage des Kollegen D. genüge als Nachweis nicht, weil ein Erstschaden mittels Befunden nicht belegt sei. Die Ermittlungsmöglichkeiten seien erschöpft.

Der hiergegen geri...

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