Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Sonderbedarf. Begriff der mehrtägigen Klassenfahrt. Beendigung der Schulpflicht. Unzulässigkeit der Pauschalierung oder Begrenzung auf einen Höchstbetrag. berücksichtigungsfähige Kosten

 

Orientierungssatz

1. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2 ist der Begriff "Klassenfahrt" weit auszulegen und eine Einschränkung ergibt sich lediglich durch das Tatbestandsmerkmal der "schulrechtlichen Bestimmung". Der Begriff umfasst daher auch von der Schule durchgeführte Studien-, Kurs- oder Jahrgangsstufenfahrten, soweit sie im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen durchgeführt werden. Die Förderungsmöglichkeit endet auch nicht mit der Beendigung der allgemeinen Schulpflicht mit dem 10. Schuljahr.

2. Unzulässig ist sowohl eine Pauschalierung der für Klassenfahrten zu erbringenden Leistungen als auch eine Festlegung einer Höchstgrenze bzw eines Höchstbetrages.

3. Zu den zu berücksichtigenden Kosten für Klassenfahrten gehören auch Nebenkosten, wie Eintrittsgelder für das kulturelle Programm, nicht jedoch Taschengeld. Ersparte Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt (insbesondere für Verpflegung) sind hiervon nicht in Abzug zu bringen, da der Schüler regelmäßig mindestens in dieser Höhe angemessenes Taschengeld für die Klassenfahrt benötigt.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 19.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2005 verurteilt, die Kosten für die Teilnahme an der Jahrgangsstufenfahrt vom 18.06.2005 bis 23.06.2005 in Höhe von 280,00 EUR zu übernehmen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt 9/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für eine Jahrgangsstufenfahrt.

Der am ... geborene Kläger lebt gemeinsam mit seiner Mutter in einer Wohnung.

Am 01.12.2004 beantragte der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), welche die Beklagte mit Bescheid vom 09.12.2004 für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.04.2005 zunächst in Höhe von 191,00 EUR monatlich und mit Änderungsbescheid vom 23.12.2004 für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 in Höhe von 402,86 EUR monatlich bewilligte.

Mit Schreiben vom 01.03.2005 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er vom 19.06. bis 24.06.2005 mit seiner Jahrgangsstufe auf eine mehrtägige Klassenfahrt gehe. Er beantragte die Kosten für diese Klassenfahrt in Höhe von 304,00 EUR. Seinem Antrag legte er eine Bescheinigung des Gymnasiums ... vom 27.01.2005 bei, wonach der Kläger vom 19.-24.06.2005 an einer Jahrgangsstufenfahrt der Schule teilnehme. Die Kosten würden 274,00 EUR betragen. Die Eintrittspreise für Museen wurden mit voraussichtlich 30,00 EUR beziffert.

Mit Bescheid vom 19.04.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Fördermöglichkeit für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen ende mit der 10. Schulklasse.

Den hiergegen am 20.05.2005 bei der Beklagten eingegangen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass die Klassenfahrt eine Schulveranstaltung sei. Er habe keine Wahl hinsichtlich der Teilnahme, da die Teilnahme an einer Schulfahrt "im Kursverband" laut Schulgesetz NRW verpflichtend sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Für Schüler, die der allgemeinen Schulpflicht - die mit der 10. Schulklasse endet - nicht mehr unterliegen, würden die Kosten einer Klassenfahrt grundsätzlich nicht zum notwendigen Lebensunterhalt gehören und seien daher nicht mehr förderungsfähig.

Am 12.07.2005 hat der Kläger Klage erhoben.

Zur Begründung wiederholte er sein bisheriges Vorbringen.

Auf Nachfrage des Gerichts hat er mitgeteilt, dass er zwischenzeitlich an der Klassenfahrt teilgenommen habe und sich das hierfür erforderliche Geld von einem Freund geliehen habe.

Der Kläger beantragt seinem schriftsätzlichen Vorgehen sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2005 zu verurteilen, die Kosten für die Teilnahme an der Jahrgangsstufenfahrt vom 18.06.-23.06.2005 in Höhe von 310,00 EUR zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, eine Verpflichtung zur Teilnahme an Schulklassenfahrten bestehe grundsätzlich nicht, da auch eine Teilnahme am Ersatzunterricht in Parallelklassen oder einer anderen Jahrgangsstufe während der Dauer der Klassenfahrt möglich sei. Selbst wenn Klassenfahrten von Oberstufen von § 23 Absatz 3 Nr. 3 SGB II abgedeckt würden, sähe sie sich nur in der Lage, einen Zuschuss zur Studienfahrt in pauschaler Höhe zu gewähren.

Der Kläger hat auf Anforderung des Gerichts eine Bescheinigung des Gymnasiums ... vom 22.06.2006 vorgelegt. Wegen des Inhalts dieser Bescheinigung wird auf Blatt 20 der Gerichtsakte verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Str...

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