Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vorstandsmitglied. Offenlegungspflicht nach § 35a Abs 6 S 2 SGB 4 ist verfassungsgemäß

 

Orientierungssatz

Die Regelung des § 35a Abs 6 S 2 SGB 4 in der Fassung des GMG vom 14.11.2003 ist formell und materiell verfassungskonform.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.02.2007; Aktenzeichen B 1 A 3/06 R)

 

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrenszu je 1/2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Sprungrevisionwird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, die Klägerin zu 1) zu verpflichten, die Höhe der jährlichen Vergütung des Klägers zu 2) einschließlich Nebenleistungen zu veröffentlichen.

Die Klägerin zu 1) ist als Betriebskrankenkasse ein sogenannter bundesunmittelbarer Versicherungsträger, dessen Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. Bis zum 30.11.2005 wurde sie durch ihren Vorstand, Herrn B., vertreten. Mit Schreiben vom 27.05.2004 forderte die Beklagte die Klägerin zu 1) unter Hinweis auf die Vorschrift des § 35a Abs. 6 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) auf, verbindlich zu erklären, dass sie die Veröffentlichung der jährlichen Vergütungen der einzelnen Vorstandsmitglieder einschließlich der Nebenleistungen sowie der wesentlichen Versorgungsleistungen nachholen werde. Die Klägerin zu 1) teilte der Beklagte darauf hin mit, dass sie dieser Aufforderung nicht nachkommen und die Vergütung nicht veröffentlichen werde, da eine solche Veröffentlichung den Vorstand in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen würde. Mit einem an alle bundesunmittelbaren Ersatzkassen, Innungskrankenkassen und Betriebskrankenkassen gerichteten Rundschreiben vom 06.07.2004 forderte die Beklagte die Adressaten des Schreibens auf, ihr eine Ausgabe der jeweiligen Mitgliederzeitschrift zu übersenden, in der die Vorstandsvergütungen veröffentlicht wurden. Da die Klägerin zu 1) dieser Aufforderung nicht nachkam, erließ die Beklagte am 25.08.2004 einen Verpflichtungsbescheid. Darin wurde die Klägerin zu 1) verpflichtet, die Höhe der jährlichen Vergütung des Vorstandes einschließlich Nebenleistungen sowie die wesentlichen Versorgungsregelungen für das Jahr 2004 umgehend nach Erhalt dieses Bescheides sowie in den Folgejahren jeweils zu 01. März im Bundesanzeiger und ihrer Mitgliedszeitschrift zu veröffentlichen. Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV. Trotz Beratung und Fristsetzung sei die Klägerin zu 1) ihrer Pflicht zur Veröffentlichung der Vorstandsvergütungen nicht nachgekommen. Sie verletze damit geltendes Recht im Sinne von § 89 Abs. 1 SGB IV. Die Klägerin zu 1) besitze nicht die Verwerfungskompetenz, die ihr die Nichtbeachtung des Gesetzes gestatten würde. Der Einwand des angeblichen Verstoßes gegen die Grundrechte der Vorstandsmitglieder sei auch inhaltlich nicht begründet. Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Mittelverwendung der Kassen als fast ausschließlich durch Beiträge finanzierte Körperschaften des öffentlichen Rechts gegenüber der Öffentlichkeit und insbesondere den jeweiligen Beitragszahlern -auch im Hinblick auf die Vorstandsvergütung- transparenter zu gestalten.

Am 24.09.2004 hat die Klägerin zu 1) Klage erhoben.

Parallel zur Klageerhebung hat der damalige Vorstand der Klägerin zu 1), Herr B., Widerspruch gegen den Verpflichtungsbescheid eingelegt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2004 als unzulässig zurück. Sie vertritt die Auffassung, dass der Vorstand durch den Verpflichtungsbescheid nicht in eigenen Rechten verletzt ist. Vorstände könnten allenfalls aus dienstvertraglichen Pflichten vorbeugend auf Unterlassung der Veröffentlichung ihres Gehaltes klagen. Im Übrigen sei der Verpflichtungsbescheid auch materiell rechtmäßig, da die Vorschrift des § 35a Abs. 6 S. 2 SGB IV nicht gegen das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung verstoßen würde. Am 25.11.2004 ist Herr B. dem Verfahren als Kläger beigetreten.

Zum 01.12.2005 ist Herr B. als Vorstand in den Ruhestand getreten. Nachfolger wurde der jetzige Kläger zu 2), Herr G ... Am 06.01.2006 hatte der Kläger zu 2) ebenfalls Widerspruch gegen den Verpflichtungsbescheid der Beklagten vom 25.08.2004 erhoben. Hinsichtlich der Begründung verwies er auf den bereits im Namen von Herrn B. eingereichten Widerspruch. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers zu 2) mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2006 zurück. Sie wiederholt hier im Wesentlichen ihre Begründung aus dem Widerspruchsbescheid vom 02.11.20004. Herr B. erklärte seine Klage für erledigt. Mit Schreiben vom 23.08.2006 erklärte der Kläger zu 2),"die Stellung des Herrn B. im Verfahren zu übernehmen".

Die Klagen wurden wie folgt begründet: Der Verpflichtungsbescheid der Beklagten sei rechtswidrig, da er die Klägerin zu 1) zu einer rechtswidrigen Handlung verpflichte. Hierdurch werde sie in ihrem Selbstverwaltungsrecht aus § 4 Abs. 1 SGB V ver...

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