Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Angemessenheit eines Kraftfahrzeugs

 

Orientierungssatz

1. Ein Mittelklassewagen mit durchschnittlicher Motorisierung und ohne besonderen Luxus, der sich bereits vor der Arbeitslosigkeit im Eigentum des Arbeitslosen befand, ist ein angemessenes Kraftfahrzeug iS des SGB 2 und damit nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Auf den aktuellen Marktwert des Fahrzeugs kommt es dabei nicht an (vgl SG Aurich vom 24.2.2005 - S 15 AS 11/05 ER = NJW 2005, 2030).

2. Dies gilt auch für ein Fahrzeug, das während einer bereits länger andauernden Arbeitslosigkeit neu erworben wurde, wenn der Hilfebedürftige in Folge einer Behinderung auf ein Automatikfahrzeug angewiesen ist, das unter gebrauchten Kleinwagen nur selten zu finden ist.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 01.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2005 verurteilt, dem Kläger Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ohne vorherige Verwertung des PKW des Klägers als Vermögensgegenstand zu gewähren. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) ohne vorherige Verwertung eines PKW als Vermögensgegenstand streitig.

Der 1960 geborene Kläger ist alleinstehend und bewohnt im Haus seiner 1926 geborenen Mutter, die Rente bezieht, einen vollmöblierten 15 m² großen Wohnraum, für den er 100,- Euro Warmmiete bezahlt. Der Kläger war bis 23.09.1998 als Vertriebsmitarbeiter beschäftigt. Seitdem ist er mit kurzer Unterbrechung (15.05. - 30.06.2000) arbeitslos. Seit 23.09.2000 bis 31.12.2004 bezog der Kläger Arbeitslosenhilfe.

In seinem Antrag auf Alg II gab der Kläger am 20.08.2004 an, Besitzer eines ein Jahre alten PKW, Marke VW Beetle, mit einem geschätzten Wert von 15.500,- Euro zu sein.

Mit Bescheid vom 01.12.2004 lehnte es die Beklagte wegen fehlender Hilfebedürftigkeit des Klägers i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II ab, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren. Mit den von ihm nachgewiesenen Vermögensverhältnissen (§ 12 SGB II) sei er nicht hilfebedürftig.

Hiergegen legte der Kläger am 10.12.2004 Widerspruch ein. Er machte geltend, er sei zu 70 % schwerbehindert. Seine Mutter weigere sich, ihre Einkommensverhältnisse anzugeben. Er lebe ohne jede Unterstützung. Seine Mutter habe ihr Hausgrundstück nunmehr verkauft, brauche das dadurch erzielte Geld jedoch selbst, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können bzw. um sich im Alter abzusichern.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Sie führte im Wesentlichen aus, der ein Jahre alte VW-Beetle mit dem von dem Kläger geschätzten Wert von 15.500,- Euro sei kein angemessenes Kraftfahrzeug für einen Hilfebedürftigen i.S.v. SGB II. Hier werde ein KfZ mit einem Zeitwert von ca. 5.000,- Euro als angemessen angesehen. Lediglich unter bestimmten Lebensumständen, die für den Kläger nicht zuträfen, könne in Ausnahmefällen auch ein höherer Wert als angemessen anerkannt werden. Dem Kläger sei es zumutbar, den PKW zu veräußern, um sich ein angemessenes KfZ anzuschaffen. Er habe alle Möglichkeiten zur Beendigung und Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen. Das verwertbare Vermögen des Klägers in Höhe von 10.730,41 Euro übersteige den Freibetrag von insgesamt 9.550,- Euro (Grundfreibetrag i.H.v. 8.800,- Euro zzgl. 750,- Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen).

Hiergegen hat der Kläger am 14.04.2005 Klage erhoben.

Er trägt vor, infolge seiner 70 % Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "G" sei er auf ein Automatikfahrzeug angewiesen. Im unteren Preissegment gebe es auf dem deutschen Markt keine Automatikfahrzeuge, allenfalls dann, wenn ein Gebrauchtwagen eine Laufleistung von über 100.000 km aufweise. Bei Fahrzeugen dieser Laufleistungen sei ständig mit größeren Reparaturen zu rechnen. Eine Garantieversicherung für ein solches Gebrauchtfahrzeug könne man nicht abschließen. Wenn er gezwungen wäre, sein Fahrzeug zu verkaufen und sich ein Ersatzfahrzeug in einem Wert von etwa 5.000,- Euro anzuschaffen, liefe er mithin Gefahr, schon kurz nach der Zulassung dieses Gebrauchtfahrzeuges mit erheblichen Reparaturforderungen konfrontiert zu werden, die problemlos die Differenz zwischen Verkaufserlös seines jetzigen Fahrzeugs und dem Anschaffungswert des Ersatzfahrzeugs aufzehrten. Er habe am 23.12.2003 für seinen PKW (Erstzulassung 01.12.2003, KM-Stand: 500, 85 kW) eine zweijährige Garantieversicherung (01.12.2005 - 01.12.2007) als Neuwagen-Anschlussgarantie abgeschlossen. Den PKW habe er seinerzeit nicht ausschließlich mit eigenen Mitteln anschaffen können, sondern hierfür eine Zuwendung seitens seiner Mutter bekommen. Er sei infolge seiner Behinderung bei seinen Bemühungen ein...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge