Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.06.2016; Aktenzeichen B 14 AS 4/15 R)

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 23. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. August 2010 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger gegenüber dem beklagten Grundsicherungsträger vorliegend zur umfassenden Auskunftserteilung verpflichtet ist.

Der am ...1970 geborene, als Kraftfahrer tätige, Kläger ist Vater des am ...1993 geborenen Herrn B ... Dieser lebte in 2010 gemeinsam mit seiner Mutter, Frau S., in einer Bedarfsgemeinschaft in Leipzig. In der öffentlichen Sitzung vor dem Amtsgericht Leipzig am 28. Januar 2009 verpflichtete sich der Kläger in einem gerichtlichen Vergleich zu einer Unterhaltszahlung gegenüber seinem Sohn in Höhe von monatlich 314,00 Euro ab dem 1. Januar 2009, der er in der Folge auch regelmäßig nachkam. In einem weiteren gerichtlichen Vergleich in der nichtöffentlichen Sitzung des Amtsgerichts Leipzig am 22. August 2011 wurde der Wegfall der Unterhaltsverpflichtung zum 1. August 2011 festgestellt.

Die Rechtsvorgängerin des Beklagten, die ARGE Leipzig (im Folgenden nur noch: Beklagter), gewährte Frau S. Grundsicherungsleistungen für Juli 2010 in Höhe von 458,55 Euro. Da Herr B. aufgrund der erhaltenen Unterhaltszahlung von 314,00 Euro, des Bezugs von Wohngeld in Höhe von 121,00 Euro sowie Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro seinen Lebensunterhalt vollständig decken konnte, wurden ihm keine Grundsicherungsleistungen bewilligt. Überdies berücksichtigte der Beklagte ein übersteigendes Kindergeldeinkommen in Höhe von 152,72 Euro bedarfsmindernd bei Frau S ... Auf ihren Fortzahlungsantrag vom 20. Juli 2010 bewilligte ihr der Beklagte mit Bewilligungsbescheid vom 26. Juli 2010 Grundsicherungsleistungen in Höhe von ebenfalls 458,55 Euro monatlich bis zum 31. Dezember 2010.

Mit Schreiben vom 23. Juli 2010 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass seinem Sohn bis auf weiteres Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) gewährt werden und bislang der geleistete Unterhalt in Höhe von 314,00 Euro monatlich berücksichtigt werde. Er wies darauf hin, dass der Unterhaltsanspruch nach § 33 Abs. 1 SGB II kraft Gesetzes zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch für den Zeitraum der Hilfegewährung bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf den Beklagten übergegangen sei. Deshalb habe er zu prüfen, ob und inwieweit der Kläger tatsächlich Unterhaltsleistungen erbringen könne. Vor diesem Hintergrund forderte er den Kläger auf, durch Ausfüllen des beiliegenden Fragebogens vollständig Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen sowie diese Angaben durch geeignete Beweisunterlagen zu belegen. Er wurde außerdem darauf hingewiesen, dass der Auskunftsanspruch auch die Pflicht beinhaltet, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Ehe-/Lebenspartners anzugeben. Sofern er der Auskunftsaufforderung nicht nachkomme, bestünde die Möglichkeit der Einleitung eines Bußgeldverfahrens und der Verhängung einer Geldbuße bis zu 2.000,00 Euro.

Der Kläger kam dem Auskunftsbegehren nicht nach, sondern erhob Widerspruch gegen das Schreiben des Beklagten vom 23. Juli 2010, der mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2010 als unbegründet zurückgewiesen wurde. In der Begründung führte der Beklagte aus, er sei zur Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers berechtigt. Zudem würde sich die Hilfebedürftigkeit der Mutter des Sohnes des Klägers verringern, wenn der Kläger wirtschaftlich in der Lage wäre, einen höheren Unterhalt zu zahlen.

Mit der am 17. September 2010 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren aus dem Widerspruchsverfahren fort. Der Kläger behauptet, der Beklagte sei nicht berechtigt, einen höheren Unterhalt als den im gerichtlichen Vergleich festgesetzten Betrag zu verlangen. Überdies gäbe es keine Rechtsgrundlage für die vorratsweise Datenerforschung des Beklagten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 23. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. August 2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist zur Begründung auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Ihm stünde ein umfassendes Auskunfts- und Informationsrecht gegenüber dem Kläger als Unterhaltsverpflichteten zu.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren

Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die als Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Klage ist vollumfänglich begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 23. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. August 2010 ist re...

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