Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem in einem Krankenhaus tätigen Facharzt für Anästhesie

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Ist ein Facharzt für Anästhesiologie in die Arbeitsabläufe und die Arbeitsorganisation des Krankenhauses eingebunden, bedient sich der Krankenhausträger des Arztes, um seine Pflichten gegenüber den Patienten und deren Kostenträgern zu erfüllen, ist Tätigkeitsort und Tätigkeitsdauer vom Krankenhausträger vorgegeben und wird die Tätigkeit nach Arbeitsstunden und fest vereinbarten Stundensätzen vergütet, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

3. Dies gilt erst recht, wenn der Anästhesist ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen hat. Zu einem echten Unternehmerrisiko wird dieses erst dann, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen erzielt wird, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen oder Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen brachliegen.

4. Ein vereinbarter Ausfall von Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall begründet kein hinreichendes unternehmerisches Risiko.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger 50 % seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als Facharzt für Anästhesiologie für die Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 3.12.2012 bis zum 10.12.2012, vom 17.12.2012 bis zum 21.12.2012, vom 11.3.2013 bis zum 18.3.2013, vom 22.4.2013 bis zum 29.4.2019, vom 6.5.2013 bis zum 13.5.2013 sowie vom 20.5.2013 bis zum 27.5.2013 als abhängig Beschäftigter zu betrachten ist.

Der Kläger ist Facharzt für Anästhesiologie. Die Beigeladene zu 1) betreibt ein Klinikum in C-Stadt.

Der Kläger stellte am 29.4.2013 einen Antrag auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status. Er beantragte festzustellen, dass eine abhängige Beschäftigung nicht vorliege. In den Antragsunterlagen gab der Kläger an, als Honorararzt zeitweise für die Beigeladene zu 1) tätig gewesen zu sein. Er habe zahlreiche verschiedene Auftraggeber gehabt. Er sei in dem Tätigkeitsspektrum eines Facharztes für Anästhesiologie tätig. Es habe keine Kontrolle seiner Tätigkeit stattgefunden. Als Vorgaben hätten die Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften und die internationalen Standards gedient. An diese sei auch der Rest der Anästhesiologieabteilung gebunden. Mit dem Auftraggeber habe er lediglich einen Zeitraum für die Tätigkeit festgelegt. Die genaueren Modalitäten seien dann mit der Anästhesieabteilung abgesprochen worden. Er habe sich zur Durchführung des Auftrages der Betriebsstätte der Beigeladenen zu 1) bedient. Er habe die Dienstbekleidung des Auftraggebers verwenden müssen. Dies habe hygienische Gründe gehabt. Er habe nicht an den Dienstbesprechungen und Schulungsmaßnahmen der Beigeladenen zu 1) teilnehmen müssen. Die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen im Krankenhaus habe nach den Regeln der Fachgesellschaften stattgefunden. Er habe Tag- und Bereitschaftsdienste übernommen. Es sei ihm möglich gewesen Aufträge abzulehnen. Als Werbemaßnahmen führe er flächendeckende Anschreiben an die Chefärzte der Anästhesieabteilung in Kliniken durch. Er versuche auch Aufträge über Vermittlungsagenturen zu erhalten. Vertragsabschlüsse seien nicht garantiert. Es komme zu "Leerlaufzeiten". Er habe laufende Aufwendungen, wie zum Beispiel die selbstfinanzierte Teilnahme an Aus- und Fortbildungen, Kosten für eine Berufshaftpflichtversicherung und für ein Kraftfahrzeug.

Des Weiteren legte der Kläger die einzelnen "Honorararztverträge" mit der Beigeladenen zu 1) für die verschiedenen im Streit stehenden Zeiträume vor. Darin heißt es jeweils auszugsweise:

Präambel

Der Auftraggeber ist Betreiber eines oder mehrerer Krankenhäuser. Der Auftragnehmer ist ein in selbstständiger, freiberuflicher Tätigkeit praktizierender Arzt. Zweck dieses Vertrages ist die kurzfristige vorübergehende Entlastung des Auftraggebers durch den Auftragnehmer bei Auslastungsspitzen oder Personalmangel. Der Auftragnehmer ist dabei in seiner Berufsausübung frei und nicht den Weisungen des Auftraggebers unterworfen. Eine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV und § 2 Nr. 9 SGB VI soll mit diesem Vertrag ausdrücklich nicht begründet werden.

§ 1 - Vertragsinhalt

I. Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer im Rahmen seiner in § 2 Abs. 1 nachgewiesenen Qualifikation mit der selbstständigen ärztlichen Betreuung und Behandlung von P...

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