Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung bei Erwerbsminderung. Unterkunft und Heizung. Leistungen für eine möblierte Wohnung. Unzulässigkeit des Abzugs einer Möblierungspauschale. abweichende Festlegung des Regelbedarfs. Abgrenzung vom Einkommenseinsatz. Bewertung von Sachbezügen. Angemessenheit der Unterkunftskosten

 

Orientierungssatz

1. Maßgebender Aspekt bei der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Vorschriften zum Einkommenseinsatzes und der Vorschrift zur abweichenden Festlegung des Regelbedarfs ist der Tatbestand, dass § 82 Abs 1 SGB 12 Sozialhilfeleistungen nicht als Einkommen qualifiziert. Daher greift § 28 Abs 1 S 2 Alt 1 SGB 12 nur ein, wenn der Bedarf durch andere Sozialhilfeleistungen ganz oder teilweise abgedeckt wird. Die Regelung soll verhindern, dass im Rahmen der Sozialhilfeleistungen Doppelleistungen erbracht werden. Daher kommt bei Bedarfsdeckung durch andere Leistungen als Sozialhilfeleistungen immer nur der Einkommenseinsatz in Betracht (vgl BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R = BSGE 99, 252 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3).

2. Hat der Sozialhilfeträger die angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für eine möblierte Wohnung gem § 29 SGB 12 in voller Höhe als Unterkunftskosten berücksichtigt (vgl BSG vom 7.5.2009 - B 14 AS 14/08 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 20) und zur Vermeidung von Doppelleistungen einen Betrag als Einkommen angerechnet, der am Anteil für Möbel und Hausrat des Regelbedarfs orientiert ist, anstatt die Möbelnutzung als Sachbezug nach den Vorgaben des § 82 SGB 12 iVm § 2 Abs 1 SGB12§82DV (juris: BSHG§76DV) zu berücksichtigen, so ist dies unzulässig.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 28.04.2008 und 18.08.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2010 verurteilt, dem Kläger ab dem 01.05.2008 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII ohne Abzug einer Möblierungspauschale zu gewähren. 

Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei Anmietung einer möblierten Wohnung der Abzug einer Möblierungspauschale erfolgen darf.

Der Kläger erhält seit dem 04.07.2007 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Zum 01.05.2008 ist er in eine möblierte Wohnung umgezogen, für die er 259,00 € Miete nebst 92,00 € Nebenkosten monatlich zu zahlen hat.

Mit Bescheid vom 28.04.2008 gewährte der Beklagte dem Kläger ab dem 01.05.2008 Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 647,20 € monatlich und nahm bis auf weiteres einen Abzug von 7,15 % (24,81 €) vom Regelsatz vor.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 16.05.2008 Widerspruch ein.

Mit Änderungsbescheid vom 18.08.2009 half der Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als der Kläger für den Zeitraum vom 01.05.2008 bis 01.08.2009 eine Nachzahlung in Höhe von 33,00 € erhielt und künftig nur noch ein Betrag von 23,56 € als Möblierungspauschale von der Regelleistung abgezogen wird. Hierbei berücksichtigte der Beklagte, dass der Kläger Aufwendungen für Ersatzbeschaffungen für ein Bügeleisen in Höhe von 0,56 € und Geschirr in Höhe von 1,50 € monatlich aufsparen muss. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2010, zugegangen am 02.02.2010, zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Möblierungspauschale könne über § 82 SGB XII i.V.m. § 2 DVO zu § 82 als Einkommen berücksichtigt werden. Daraus ergäbe sich, dass Kost, Wohnung und sonstige Sachbezüge Einnahmen im Sinne des § 82 SGB XII seien. Bei dem Bereitstellen von Möblierung handele es sich um einen Sachbezug im Sinne dieser Vorschrift. Es sei zu beachten, dass laut Mietbescheinigung die Möblierung im Mietpreis enthalten sei. Der Mietzins werde vom Beklagten in voller Höhe übernommen, so dass es zu einer “Doppelleistung„ kommen würde, wenn gegenüber dem Kläger kein Abzug erfolge, da die Instandhaltung und Ersatzbeschaffung von Möbeln im Regelsatz bereits enthalten sei. Die Einkommensanrechnung orientiere sich nach der in der Regelleistung enthaltenen entsprechenden Bedarfsposition. Die Rechtslage sei mit der des SGB II nicht zu vergleichen, denn eine dem § 2 Abs. 1 DVO zu § 82 SGB XII entsprechende Regelung sei im SGB II nicht vorgesehen. Auch sei zu beachten, dass nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII grundsätzlich die Möglichkeit bestehe, die Bedarfe abweichend festzulegen. Auch hier sei eine vergleichbare Vorschrift im SGB II nicht zu finden.

Mit der am 02.03.2010 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, das Bundessozialgericht habe in der Entscheidung vom 11.12.2007 ausdrücklich festgehalten, dass eine Absenkung des Regelsatzes nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII grundsätzlich in Fällen wie diesem ausscheide. Denn eine Absenkung des Regelsatzes sei nur dann möglich, wenn der Leistungsempfänger Leistungen von einem anderen Leistungsträger erhalte, etwa in der Gestalt eines unentgeltlichen Mittagessens. § 82 SGB XII sei gerade nicht anzuwenden, weil grundsätzlich, wenn eine Bedarfsdeckung vorliege, der Beda...

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