Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Hilfebedürftigen auf Bewilligung des ungedeckten Differenzbetrages zwischen privatem Krankenversicherungsbeitrag und dem vom Leistungsträger des SGB 2 gezahlten Zuschuss zum privaten Krankenversicherungsbeitrag

 

Orientierungssatz

1. Nach der Entscheidung des BVerfG vom 9. 2. 2010 ist es geboten, dass auch ein unabweisbarer laufender, und nicht nur ein einmaliger, besonderer Bedarf zu decken ist, wenn dies im Einzelfall für ein menschenwürdiges Existenzminimum erforderlich ist.

2. Bei dem ungedeckten Differenzbetrag zwischen dem vom Leistungsträger des SGB 2 getragenen Zuschuss zum privaten Krankenversicherungsbeitrag und dessen monatlichen privaten Krankenversicherungsbeitrag nach § 26 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB 2 handelt es sich um einen besonderen Bedarf i. S. der Entscheidung des BVerfG.

3. Die in § 12 Abs. 1 c S. 6 HS 2 VAG vorgesehene Beschränkung der Zuschüsse auf die Beträge, die für einen in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Leistungsbezieher anfallen, führt zu einer Existenzgefährdung.

4. Damit ist dem privat krankenversicherten Hilfebedürftigen der ungedeckte Differenzbetrag als Härteleistung aufgrund von Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG in laufenden und noch nicht abgeschlossenen Verfahren zu bewilligen, und zwar auch dann, wenn diese Verfahren Leistungen für Zeiträume vor der Verkündung des BVerfG-Urteils vom 9. 2. 2010 betreffen.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 03.04.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.07.2009 (xxx) wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen weiteren Zuschuss zu den Beiträgen ihrer privaten Krankenversicherung in Höhe von 54,04 Euro monatlich für den Zeitraum vom 01.02.2009 bis 31.07.2009 zu gewähren.

3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

4. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Übernahme ihrer im Zeitraum 01.02.2009 bis 31.07.2009 angefallenen Krankenversicherungsbeiträge in tatsachlicher Höhe.

Die am 01.02.1980 geborene Klägerin bewohnt eine Wohnung in der O.str. 11 in 28199 Bremen. In der Vergangenheit studierte die Klägerin an der Universität Bremen und war über ihre Eltern privat kranken- und pflegeversichert bei der Deutschen Krankenversicherung AG (im Folgenden: IR.) (Bl. 9 LA). Im Oktober 2008 schloss die Klägerin ihr Studium ab; ihre Exmatrikulation erfolgte zum 22.01.2009 (Bl. 10 LA).

Während ihres Studiums erhielt die Klägerin von ihren Eltern eine monatliche Unterhaltsleistung in Höhe von 800,00 Euro. Zum 01.02.2009 stellten die Eltern die monatlichen Unterhaltsleistungen im Hinblick auf das inzwischen abgeschlossene Studium ein.

Am 03. Januar 2009 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zugleich beantragte sie bei der AVK. Krankenkasse (im Folgenden: TK) die Aufnahme als Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung. Diesen Antrag lehnte die TK mit Schreiben vom 28.01.2009 (Bl. 9 LA) mit der Begründung ab, dass die Klägerin bislang privat versichert gewesen sei und deshalb die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft nicht vorlägen.

Die IR. gewährte der Klägerin auch für die Zeit nach Beendigung ihres Studiums weiterhin den reduzierten ("UNI"-)Tarif für Studenten. Eine Umstellung auf den (reduzierten) Basistarif nach § 12 Abs. 1 a Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), der im Falle der Klägerin 284,82 Euro betragen hätte, erfolgte nicht (Bl. 38 - 41 LA). In der Zeit vom 01.02.2009 bis 30.09.2009 hatte die Klägerin für ihre Kranken- und Pflegeversicherung einen monatlichen Beitrag in Höhe von 200,72 Euro an die IR. zu entrichten (Bl. 37 LA). Von diesem Betrag entfielen 183,58 Euro auf den Beitrag zur privaten Krankenversicherung.

Mit Bescheid vom 05.02.2009 (Bl. 30 LA) gewährte die Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 01.02.2009 bis zum 31.07.2009 Leistungen nach dem SGB II in Höhe eines monatlichen Gesamtbetrags von 626,15 Euro. Kosten der privaten Kranken- und Pflegeversicherung wurden der Klägerin in diesem Bescheid nicht gewährt.

Auf Anforderung der Beklagten legte die Klägerin am 05. März 2009 (Bl. 36 LA) eine aktuelle Beitragsbescheinigung der IR. vom 02.03.2009 vor, die die oben genannte Beitragshöhe auswies (Bl. 37 LA).

Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 03. April 2009 (Bl. 43 LA) für den Zeitraum vom 01.02.2009 bis 31.07.2009 neben Arbeitslosengeld II-Leistungen in Höhe von 773,48 Euro im Monat auch einen monatlichen Zuschuss zu ihren Kranken- und Pflegeversicherungskosten. Der Zuschuss zu den Krankenversicherungsbeiträgen betrug hierbei 129,54 Euro im Monat. In dem Bescheid hieß es hierzu, die Beklagte könne für die Krankenversicherung nur den Betrag analog zu den gesetzlichen Krankenversicherungen i.H.v. 129,54 Euro übernehmen. Der Differenzbetrag sei von der Klägerin zu tragen.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 07. April 2009, bei ...

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