Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Sonderbedarf. mehrtägige Klassenfahrt. Unzulässigkeit der Begrenzung bzw Pauschalierung

 

Orientierungssatz

Die Verwaltungspraxis der Grundsicherungsträger in Berlin, Leistungen nach § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2 für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen auf Höchstbeträge zu begrenzen bzw zu pauschalieren ist mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage unzulässig und rechtswidrig.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 13.11.2008; Aktenzeichen B 14 AS 36/07 R)

 

Tenor

Die Bescheide vom 2. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2007 werden aufgehoben. Der Beklagte wird unter Änderung der Bescheide vom 5. April 2007 verpflichtet, die den Klägern jeweils mit Bescheiden vom 5. April 2007 gewährten Kosten für mehrtägige Klassenfahrten statt als Darlehen als Zuschuss zu gewähren.

Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen, soweit sie nicht kraft Gesetzes zulässig ist.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Kläger auf Gewährung einer einmaligen Beihilfe für Schülerfahrten als Zuschuss.

Der 1987 geborene Kläger zu 1 ist der Bruder des 1991 geborenen Klägers zu 2. Sie bewohnen gemeinsam mit ihrer minderjährigen Schwester sowie ihren verheirateten Eltern eine Wohnung unter der im Rubrum bezeichneten Anschrift im Verwaltungsbezirk Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin.

Der Vater des Klägers erzielt aus seiner Erwerbstätigkeit ein monatliches Nettoentgelt von 1503,86 Euro bei einem Bruttoentgelt von 2036,75 Euro. Für die Kläger und ihre Schwester wird jeweils Kindergeld in Höhe von 154,00 Euro monatlich gezahlt. Die Bruttowarmmiete der von den Klägern und ihrer Familie bewohnten Wohnung beträgt gegenwärtig 1024,51 Euro im Monat. Der Kläger zu 2 erzielt ein Einkommen aus einer Schülernebentätigkeit von weniger als 100 Euro im Monat.

Zuletzt mit Bescheid vom 15. November 2006 bewilligte der Beklagte den Klägern sowie ihren Eltern und ihrer Schwester laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum 1. März 2007 bis 31. August 2007. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid (als Textvorschau auf Blatt 342 der Verwaltungsakte) Bezug genommen.

Die Kläger besuchen im Schuljahr 2006/2007 die Freie Waldorfschule K e. V., eine bis zum Abitur führende öffentliche Schule in freier Trägerschaft. Der Kläger zu 1 besucht dort die 12. Klasse, der Kläger zu 2 befindet sich in der neunten Klassenstufe.

Am 12. März 2007 beantragten die Kläger, vertreten durch ihren Vater, jeweils die Übernahme von Kosten von Klassenfahrten.

Der Kläger zu 1 beantragte die Übernahme der Kosten in Höhe von insgesamt 719 Euro (212 Euro Fahrtkosten, 260 Euro Unterkunft, 260 Euro Unterkunft, 80 Euro Verpflegung und 167 Euro Nebenkosten ohne Taschengeld) für eine Kunststudienfahrt seiner Klasse im Zeitraum vom 8. Mai 2007 bis 19. Mai 2007 nach F.

Für den Kläger zu 2 wurde die Gewährung von insgesamt 285,00 Euro (40,00 Euro Fahrtkosten, 210 Euro für Unterkunft und Verpflegung und 35,00 Euro Nebenkosten ohne Taschengeld) für eine Fahrt seiner Klasse vom 16. April 2007 bis zum 4. Mai 2007 nach R im Bundesland Brandenburg beantragt.

Die Antragsangaben wurden jeweils durch die Schule auf dem dafür vorgesehenen Teil des hierfür ausgegebenen Formulars bestätigt.

Mit Schreiben vom 16. März 2007 an den Vater der Kläger legte der Beklagte seine Rechtsauffassung dar, dass für die Fahrt des Klägers zu 1 ein Höchstbetrag von 400,00 Euro und für die Fahrt des Klägers zu 2 ein Höchstbetrag von 180,00 Euro gewährt werden könne. Zugleich forderte er den Vater des Klägers auf, bis zum 2. April 2007 mitzuteilen, wie die Differenz bis zur vollen Höhe der Kosten für Schülerfahrten beglichen werde.

Am 26. März 2007 sprach der Vater der Kläger bei dem Beklagten vor und teilte mit, dass er den Rest der Fahrtkosten nicht bezahlen könne. Er erhielt daraufhin von dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin S die mündliche Mitteilung, dass die 400,00 bzw. 180,00 Euro für die Kläger nicht zur Auszahlung kämen.

Am 29. März 2007 beantragten die Kläger in zwei getrennten Verfahren den Erlass von einstweiligen Anordnungen gegen den Beklagten. Die Verfahren wurden unter dem Aktenzeichen S 103 AS 7827/07 ER zur gemeinsamen Entscheidung durch die Kammer verbunden (Beschluss vom 4. April 2007).

Mit zwei Bescheiden vom 2. April 2007 lehnte der Beklagte die Anträge der Kläger ab. Zur Begründung führte er jeweils aus, dass die Kosten für die Schülerfahrten die im Rundschreiben I Nr. 38/2004 der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz genannten Höchstbeträge überschritten. Für die Klassenfahrt des Klägers zu 1 ins europäische Ausland sei dort ein Höchstbetrag von 400,00 Euro vorgesehen. Für die Klassenfahrt des Klägers zu 2 sei ein Höchstbetrag für Fahrten innerhalb Brandenburgs von 180,00 Euro vorgesehen. Ein diese Höchstbeträge überschreitender Antrag sei...

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