Tenor

Die Bescheide der Beklagten vom 21. Oktober 2004 und 18. November 2004, insgesamt in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2005, werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein zweites Cochlear-Implantat entsprechend der Verordnung der Ärzte V und Dr. L vom 27. April 2004 zu gewähren.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Versorgung mit einem zweiten Cochlear-Implantat.

Die 1998 geborene Klägerin leidet an einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beidseits und an Diabetes. Im November 2000 wurde sie in der Charité, Campus Virchow-Klinikum mit einem Cochlear-Implantat (CI) links versorgt.

Im April 2004 beantragte die Klägerin unter Vorlage einer Verordnung von Krankenhausbehandlung der behandelnden Fachärzte für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde V/Dr. L vom 27. April 2004 eine Cochlear-Implantation rechts. Beigefügt war eine Stellungnahme der Ärzte Dr. O/Dr. S vom 31. März 2004, in der ausgeführt ist, dass die entsprechenden audiologischen Untersuchungen keine Kontraindikation für eine binaurale Versorgung ergeben hätten. Aus medizinischer und audiologischer Sicht sei eine binaurale Versorgung sehr wünschenswert; es werde sich eine deutliche Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit und der allgemeinen Entwicklung der Klägerin einstellen. Dem Antrag war ferner beigefügt eine Stellungnahme des therapeutischen Leiters des Cochlear Implant Centrums Berlin-Brandenburg (CIC) vom 12. März 2004, in dem u.a. ausgeführt ist, dass aufgrund der bisherigen Entwicklung der Klägerin mit einem Cochlear-Implantat, ihrer dabei erworbenen Fähigkeiten und mit Blick auf ihre äußerst positive allgemeine Entwicklung und Kooperationsfähigkeit sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bei ihr eine symmetrische Hörschädigung vorliege, folgende Ergebnisse von einer Versorgung mit einem zweiten Cochlear-Implantat erwartet würden: ein offenes Sprachverständnis ohne Absehen (bisher situatives Sprachverständnis), Richtungshören (bisher nicht möglich), Verbesserung der Signale/Noise Ratio um ca. 6 dB, dies bedeute, dass die Klägerin mit zwei CI gegenüber ihrer jetzigen Situation Sprache auch dann im gleich lauten Störschall wahrnehmen könne, wenn der Schalldruck des Sprachschalls um etwa die Hälfte verringert sei. Diese signifikanten Verbesserungen würden zu wesentlichen Erleichterungen und Fortschritten in der Kommunikation und der schulischen, gesellschaftlichen und späteren beruflichen Integration führen.

Die Beklagte holte hierzu eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein, für den die HNO-Ärztin Dr. S-W am 4. Mai 2004 zunächst weitere Informationen anforderte. In Beantwortung der Anfrage brachte das CIC am 24. Mai 2004 die Ergebnisse von mit der Klägerin durchgeführten Tests bei. Ausgeführt wurde hierzu, dass die Ergebnisse der Tests die negativen Einflüsse des Kopfschatteneffektes aufzeigten, die bei bilateraler Versorgung zweifellos eliminiert würden. Verstehe die Klägerin in Ruhe von links angebotenes Wortmaterial mit 87 %, so verringere sich die Sprachverständnisleistung durch den Wechsel auf die nicht versorgte Seite schon um 25 %. Im von rechts störenden Rauschen verstehe die Klägerin links angebotene Wörter immerhin noch zu 72 %, während bei der Umkehrung des Schallangebots das Verständnis auf 25 % abrutsche. Allein diese Vorteile bei Wegfall des Kopfschatteneffektes würden eine bilaterale Versorgung rechtfertigen. Mittelfristig sei im Falle der Klägerin allerdings nicht nur bilaterales Hören, sondern echtes stereophones Hören zu erwarten.

In Auswertung der Unterlagen kam Frau Dr. S-W am 16. Juli 2004 zu dem Ergebnis: „Es mag sein, dass das Kind von der doppelseitigen Versorgung profitiert. Letztlich muss aber eine leistungsrechtliche Entscheidung getroffen werden, ob kassenseits wegen der mutmaßlichen Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit ein zweites Implantat bewilligt wird.” Langfristige Untersuchungsreihen zur Frage, ob die Sprachkompetenz beidohrig versorgter Kinder nach Abschluss des Spracherwerbs signifikant besser sei als die einseitig versorgter Kinder lägen noch nicht vor. Auch in der zu erwartenden Neufassung der Begutachtungsanleitung werde die binaurale CI-Versorgung nicht als Standard erwähnt. Die Störgeräuschproblematik sei bei der CI-Versorgung sicher zu berücksichtigen. Hier wäre eine FM-Anlage (eine drahtlose Anlage mit Mikrophon für den Lehrer oder eine andere sprechende Person und Übertragung direkt auf den Sprachprozessor) zu empfehlen, mit der die Klägerin bisher nicht versorgt sei. Die Beklagte holte sodann eine Stellungnahme des MDK Baden-Württemberg ein, für den Dr. V am 19. Oktober 2004 ausführte, dass sich auf den hier vorliegenden Einzelfall bezogen keine medizinischen Gründe darstellen ließen, die die Notwendigkeit einer vom Standard abweichenden beidseitigen Versorgung mit einem Cochlear-Implantat begründen könnten. Es sei mit dem einseitigen CI ein seh...

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