Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. psychiatrische Untersuchung zur Feststellung einer Erwerbsminderung ohne Begleitperson

 

Leitsatz (amtlich)

Die psychiatrische Untersuchung zur Feststellung einer Erwerbsminderung hat grundsätzlich ohne eine Begleitperson des Probanden stattzufinden.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem die Beklagte die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung versagt hat.

Der 1990 geborene Kläger wurde im Dezember 2014 durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) Berlin-Brandenburg untersucht. Der Sachverständige führte aus, dass der Kläger sich teilweise inadäquat verhalten habe, denn das Gespräch habe der anwesende Vater geführt. Am 29. September 2015 wurde der Kläger im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit (BA) durch die Sachverständige Dr. Z., Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, untersucht. Zu dem Termin begleitete ihn ein Mann, dessen Identität nicht mehr sicher festgestellt werden kann. Die Ärztin vermerkte, dass es sich um den Vater des Klägers gehandelt habe, der sehr dominant aufgetreten sei. In der Gegenwart des Begleiters habe der Kläger kein Wort geäußert, weshalb - so die Sachverständige - eine sachgerechte Untersuchung und eine Leistungseinschätzung nicht möglich gewesen seien. Angesichts der Fremdanamnese und des zu beobachtenden Verhaltens des Klägers bestehe der Verdacht auf eine gravierende Entwicklungsstörung sowie eine Lernbehinderung.

Am 12. November 2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte zog verschiedene medizinische Unterlagen bei und ordnete eine Begutachtung des Klägers durch die Sachverständige S., Ärztin für Psychiatrie, an. Zum Termin am 13. Juni 2016 erschien der Kläger in Begleitung eines Mannes, dessen Identität nicht mehr festgestellt werden kann. Die Sachverständige vermerkte, dass es sich um den Vater des Klägers gehandelt habe. Die Begutachtung wurde nicht durchgeführt, nachdem der Begleiter auf einer Teilnahme an der Untersuchung bestanden, die Sachverständige dies aber unter Hinweis auf die wissenschaftlichen Standards, die bei einer psychiatrischen Begutachtung einzuhalten sind, abgelehnt habe.

Mit Schreiben vom 16. September 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seine Begutachtung unerlässlich sei, dass aber bei der Untersuchung die Teilnahme einer Begleitperson nicht möglich sei. Bei einer Begutachtung auf diesem Fachgebiet sei es notwendig, die Anamnese unbeeinflusst durch Dritte - die Begleitperson - zu erheben. Diese könne den Kläger allerdings bis in den Wartebereich begleiten. Die Beklagte wies den Kläger unter Berufung auf §§ 60 ff. Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) auf seine Mitwirkungspflichten hin. Am 21. September 2016 übersandte der Kläger bzw. sein Vater der Beklagten per Telefax die Kopie einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm, aus der der Kläger das Recht auf Mitnahme einer Begleitperson herleitete.

Mit Bescheid vom 11. Oktober 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie dem Rentenantrag vom 12. November 2015 so lange nicht entsprechen könne, wie er nicht mitwirke. Zur Entscheidung über den Rentenanspruch sei es erforderlich, den Kläger untersuchen zu lassen. Die Untersuchung habe aber nicht durchgeführt werden können, weil der Kläger mit einer Begleitperson erschienen sei, die auf Anwesenheit bestanden habe. Anderes ergebe sich auch nicht aus der zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. Februar 2015.

Mit Schreiben vom 1. November 2016 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er um einen neuen Termin zur Untersuchung bitte. Die Beklagte ordnete eine Begutachtung des Klägers durch den Sachverständigen G., Arzt für Psychiatrie, an. Der Sachverständige vermerkte unter dem 4. Mai 2017, dass er den Kläger im Wartezimmer in Begleitung eines Herrn angetroffen habe. Er - der Kläger - habe keinen Blickkontakt aufgenommen, sondern auf den Boden gestarrt. Der Begleiter habe deutlich angespannt geantwortet, dass er der Vater sei und darauf bestanden, den Kläger zu Untersuchung zu begleiten. Er sei darauf hingewiesen worden, dass eine Begleitung bei der Untersuchung nicht vorgesehen sei. Der Begleiter habe dem Sachverständigen unterstellt, das Gesetz brechen zu wollen und habe Bemerkungen zur Nationalität der von der Bundesagentur für Arbeit eingesetzten Gutachterin gemacht.

Mit Schreiben vom 8. September 2017 bat der Kläger um die Anberaumung eines erneuten Termins zur Untersuchung. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15. November 2017 mit, dass sie eine Begutachtung des Klägers nur ohne Anwesenheit einer Begleitperson durchführe. Der Kläger könne sich auf Wunsch bis zum Wartezimmer begleiten lassen. Am 28. November 2017 führte ein Mitarbeiter der Beklagten mit dem Kläger - so der Vermerk - ein Telefonat, in dem der Kläger erklär...

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