Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Ermittlung des Einkommens bei selbständigem Gewerbe in der Anfangsphase. abgeschlossener steuerlicher Veranlagungszeitraum. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Elterngeldes ist bei Selbständigen, deren Erwerbstätigkeit sowohl während des gesamten für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes maßgeblichen Zeitraums als auch während des letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums ausgeübt worden ist, gemäß § 2 Abs. 9 Satz 1 BEEG auf den durchschnittlichen monatlichen Gewinn, wie er sich aus dem für den Veranlagungszeitraum ergangenen Steuerbescheid ergibt, abzustellen. Hierbei ist es unbeachtlich, ob sich der Gewerbebetrieb in einer langfristigen Perspektive noch im Aufbau befindet.

2. Zwar ging der Gesetzgeber bei der nach § 2 Abs. 9 Satz 1 BEEG ausnahmsweisen Möglichkeit des Rückgriffs auf einen steuerlich erfassten Veranlagungszeitraum von der Annahme aus, dass das Einkommen im Veranlagungszeitraum für das Einkommen in den zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes repräsentativ ist. Allerdings hat er hierbei mit § 2 Abs. 9 Satz 2 BEEG und dem dortigen Verweis auf Abs. 7 Satz 5 und 6 der Vorschrift selbst geregelt, wann der repräsentative Charakter nicht mehr gewährleistet ist, so dass daneben für langfristige wirtschaftlich geprägte Argumente zum repräsentativen Charakter des Veranlagungszeitraums, die sich insbesondere aus Einkommensschwankungen speisen, kein Platz mehr ist.

3. Dies begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung weiteren Elterngeldes.

Die Klägerin meldete unter dem 4. April 2005 bei dem Bezirksamt Pankow von Berlin ein Gewerbe (Einzelhandelsgeschäft für Schwangerschaftsmode, Kinderkleidung u.ä.) zum 15. April 2005 an.

Am 20. September 2007 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elterngeld für ihr am 24. Juli 2007 geborenes Kind T H W. Hierbei gab sie an, sowohl in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes als auch im Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes eine selbständige Tätigkeit durchgehend ausgeübt zu haben.

Ausweislich des Steuerbescheides des Finanzamtes Friedrichshain/Prenzlauer Berg vom 7. August 2007 erzielte die Klägerin im Jahr 2006 Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Einzelunternehmen für Schwangerschaftsmode) in Gesamthöhe von 18.335 Euro. Ausweislich einer Bescheinigung des Steuerberaters der Klägerin vom 27. August 2008 betrug der von Januar bis Juli 2007 erzielte Gewinn 28.209,71 Euro.

Mit Bescheid des Bezirksamtes Pankow von Berlin vom 12. Oktober 2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin Elterngeld für die Zeit vom 24. Juli 2007 bis 23. August 2007 in Höhe von 928,36 Euro und für die Zeit vom 24. August 2007 bis 23. Juli 2008 in Höhe von 843,96 Euro monatlich. Dabei legte er das um Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 3.219,36 Euro bereinigte Einkommen aus selbständiger Tätigkeit im Kalenderjahr 2006 in Höhe von 15.115,64 Euro (1.259,64 Euro monatlich) zu Grunde.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 8. November 2007, mit dem die Klägerin sinngemäß geltend machte, dass vor allem die in den Monaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes erzielten Einkünfte Berücksichtigung finden müssten, wies der Beklagte mit Bescheid des Bezirksamtes Pankow von Berlin vom 7. Februar 2008 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Berechnung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs. 9 BEEG zwingend nach dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum (hier: Kalenderjahr 2006) vorzunehmen sei.

Mit der am 7. März 2008 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass als Referenzzeitraum für die Berechnung des ihr zu gewährenden Elterngeldes auf die zwölf Kalendermonate vor der Geburt ihres Kindes abgestellt werden müsse. Dies ergebe sich daraus, dass die vom Beklagten angewandte, Gegenteiliges vorsehende Vorschrift des § 2 Abs. 9 BEEG hier nicht anwendbar sei, weil sie nur eine kontinuierliche Selbständigkeit erfasse. Davon könne jedoch in ihrem Falle nicht ausgegangen werden, weil sie die Geschäftstätigkeit überhaupt erst im Jahr 2006 aufgenommen habe und das Gründungsjahr des Gewerbes ganz natürlich durch ein niedrigeres Monatseinkommen gekennzeichnet sei. Zumindest stelle jedoch die Anwendung von § 2 Abs. 9 BEEG eine nicht von Art. 3 Abs. 1 GG gedeckte Ungleichbehandlung im Vergleich zu abhängig Beschäftigten mit niedrigem Einkommen in den Anfangsmonaten des Jahres 2006 und hohem Einkommen in den Anfangsmonaten des Jahres 2007 dar.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Beklagten unter Änderung des Bescheides des Bezirksamtes Pankow von Berlin vom 12. Oktober 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 5. Februar 2008 zu verpflichten, Elterngeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vo...

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