Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Kostenfestsetzungsverfahren. materiellrechtliche Einwendungen. Zinsanspruch auf Hauptforderung gem § 197 Abs 1 SGG, § 104 Abs 1 ZPO. freiwillige Zahlung des Prozessgegners auf Gebührenhauptforderung ohne Kostenfestsetzungsbeschluss

 

Leitsatz (amtlich)

1. Materiellrechtliche Einwendungen bleiben im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich unberücksichtigt.

2. Zinsen nach §§ 197 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 104 Abs 1 S 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind auch für ohne förmliche Festsetzung erstattete Kosten zu zahlen.

 

Tenor

Auf die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts vom 15. April 2015 werden die zu erstattenden Kosten auf insgesamt 584,89 € festgesetzt. Dieser Betrag ist vom 10. März 2015 an mit Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Erinnerungsgegnerin hat dem Erinnerungsführer dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Auf die Erinnerung vom 20. April 2015 waren die zu erstattenden Kosten auf den Betrag von 584,89 € lt. nachstehender Berechnung festzusetzen:

Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG

  207,00 €

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

  180,00 €

abzgl. Anrechnung nach Vorbem. 3 (4) VV RVG 50%

- 103,50 €

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG

  168,00 €

Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG

   40,00 €

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %)

   93,39 €

Summe

  584,89 €

und zwar auf konkludent einheitlichen Antrag der Beteiligten. Materiellrechtliche Einwendungen - hier: (Teil-)Zahlung - bleiben vorliegend im Kostenfestsetzungsverfahren unberücksichtigt.

Der - hier allein streitige - Zinsausspruch folgt §§ 197 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 104 Abs. 1 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO).

Danach ist auf Antrag auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, (…) mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind.

Wenngleich auch der Wortlaut zunächst nahe legt, dass lediglich förmlich festgesetzte Kosten zu verzinsen sein sollen, lässt sich ein vernünftiger Sinn dieser Auslegung nicht erkennen. Er widerspricht der gesetzgeberischen Wertung, dass der Kostenerstattungsanspruch zu verzinsen sein soll. Ein vernünftiger Grund, weshalb hiervon bei unstreitiger Zahlung für die ja bereits seit Einreichung des Antrages bis zur Zahlung entstandenen Zinsen eine Ausnahme gemacht werden sollte, während bei förmlicher Festsetzung diese zu erstatten wären, ist nicht erkennbar.

Es kann jedoch dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen die Auslegung einer Norm über ihren Wortlaut hinaus möglich ist. Denn es ergibt sich bereits unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass materiellrechtliche Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren unberücksichtigt zu bleiben haben, ein entsprechender Anspruch des Erinnerungsführers. Dieser hatte ausdrücklich die Erstattung der Gebührenrechnung und deren Verzinsung beantragt. Die Erinnerungsgegnerin hat lediglich den Betrag von 584,89 € ohne weitere Zinsen gezahlt. Dies führt indes dazu, dass auch die unstreitige Zahlung nicht ausnahmsweise im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden kann, denn der Bejahung dieser Ausnahme steht ein berechtigtes Interesse des erstattungsberechtigten Beteiligten an einer förmlichen Festsetzung trotz Zahlung entgegen. Ansonsten hätte es der Erstattungspflichtige stets in der Hand durch (Teil-)Zahlung seiner grundsätzlich vom Gesetz vorgesehenen Verzinsungspflicht auch für die Vergangenheit (und damit nachträglich) zu entgehen. Darüber hinaus läge auch ein Zirkelschluss vor, wenn die förmliche Festsetzung mit Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses abgelehnt würde und das eigentliche Rechtsschutzziel - die Verzinsung - allein deswegen nicht mehr erreicht werden könnte.

Die Kostenentscheidung für das Erinnerungsverfahren beruht auf entsprechender Anwendung der §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens. Anhaltspunkte für eine abweichende Entscheidung sind nicht ersichtlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §§ 197 Abs. 2, 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG.

 

Fundstellen

AGS 2015, 352

NJW-Spezial 2015, 572

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