Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. unausgeschöpfter Freibetrag der minderjährigen Kinder zugunsten der Eltern. Bildung eines Gesamtfreibetrages. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Vermögensfreibetrag für minderjährige Kinder (§ 12 Abs 2 Nr 1a SGB 2) ist, soweit er von den Kindern nicht mit dem ihnen zugeordneten Vermögen ausgeschöpft wird, zugunsten der mit den Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Eltern zu berücksichtigen.

 

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 18.04.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2005 wird aufgehoben, die Bescheide vom 09.05., 06.06., 20.06. und 23.06.2005 werden abgeändert.

2. Der Beklagte wird verurteilt, die den Klägern für den Zeitraum 01.05. bis 31.10.2005 erbrachten Leistungen als Zuschuss zu bewilligen.

3. Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob den Klägern Leistungen nach dem SGB II darlehensweise oder als Zuschuss zu gewähren sind.

Die Kläger haben 5 Kinder (G., geb. 06.10.1987, H., geb. 27.02.1989, I., geb. 09.01.1991, J., geb. 18.05.1992, K., geb. 09.11.1994) und beantragten im Jahre 2004 Leistungen bei der Bundesagentur für Arbeit nach dem SGB II. Die Arbeitsagentur bewilligte den Klägern zunächst bis einschließlich 30.04.2005 Arbeitslosengeld II. Auf den Folgeantrag aus März 2005 hin lehnte die Gemeinde L. mit Bescheid vom 18.04.2005 die Bewilligung weiterer Leistungen über den 30.04.2005 hinaus ab. Zur Begründung führte sie aus, die Kläger verfügten neben ihrem selbst genutzten Hausgrundstück über weitere vier Grundstücke und überschritten damit den Vermögensfreibetrag, so dass sie nicht bedürftig seien. Die Kläger legten dagegen Widerspruch ein und führten zur Begründung aus, von den Grundstücken sei lediglich eins bebaubar, im Übrigen handele es sich um Wiesen- bzw. Ackerland. Gleichzeitig beantragten die Kläger beim Sozialgericht Aurich die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (S 15 AS 45/05 ER). In einem Erörterungstermin erklärte sich der Beklagte bereit, zunächst darlehensweise Leistungen zu erbringen, woraufhin beide Beteiligten das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für erledigt erklärten.

In Ausführung dieser Vereinbarung bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 09.05.2005 bzw. 06.06.2005 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum 01.05. bis 31.10 in Höhe von 802,00 Euro. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.2005 wies er den Widerspruch der Kläger gegen den Bescheid der Gemeinde L. vom 18.04.2005 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Grundstücke hätten insgesamt einen Wert von 30.622,00 Euro, hinzu käme ein Bausparvertrag mit einem Wert von 5.249,22 Euro. Die Vermögensgegenstände lägen insgesamt über dem Freibetrag von 23.450,00 Euro, so dass die Kläger im Ergebnis nicht bedürftig seien.

Mit zwei Bescheiden vom 20.06.2005 erhöhte der Beklagte den Leistungsbetrag für den Zeitraum 01.05. bis 31.10.2005 auf 1.569,00 Euro und mit Bescheid vom 23.06.2005 auf 1.684,00 Euro monatlich, wobei es bei der darlehensweisen Leistung verblieb.

Mit der dagegen gerichteten Klage tragen die Kläger vor, der Beklagte habe es unterlassen für die minderjährigen Kinder jeweils einen Freibetrag in Höhe von 4.100,00 Euro zu berücksichtigen. Unter Einbeziehung dieses Kinderfreibetrages liege das Vermögen jedenfalls unter dem Gesamtfreibetrag der Familie der Kläger. Im Übrigen belaufe sich der Grundstückswert für die den Klägern allein gehörenden Grundstücke auf ca. 12.000,00 Euro. Das selbst bewohnte Hausgrundstück gehöre den Klägern nicht alleine und sei im Übrigen hoch belastet.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom 18.04.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2005 aufzuheben und die Bescheide des Beklagten vom 09.05., 06.06., 20.06. und 23.06.2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern die gewährten Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, es sei kein gemeinsamer Freibetrag zu bilden. Die Berücksichtigung eines Kinderfreibetrages komme erst in Betracht, wenn die Kinder auch tatsächlich über Vermögen verfügten, was vorliegend nicht der Fall sei. Der Wert der Grundstücke belaufe sich auf ca. 34.000,00 Euro.

Das Gericht hat die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Akten des Verfahrens S 15 AS 45/05 ER (Sozialgericht Aurich) beigezogen und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, in der Sache ist sie auch begründet.

Die Kläger haben Anspruch auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Zuschuss. Das vorhandene Vermögen überschreitet nicht die zu berücksichtigenden Freibeträ...

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