Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Befreiung von der Versicherungspflicht. angestellter Rechtsanwalt in einer Steuerberatungsgesellschaft. Mandantenvertretung. nichtanwaltlicher Arbeitgeber. rechtsanwaltliche Tätigkeit. Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Mitglied einer berufsständischen Kammer. freie Berufsausübung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein zugelassener Rechtsanwalt, der in einer Steuerberatungsgesellschaft angestellt ist, kann die Befreiungsvoraussetzungen des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB 6 für diese Tätigkeit jedenfalls dann erfüllen, wenn die beratende, vertretende und entscheidende Anwaltstätigkeit nicht im Verhältnis zum Arbeitgeber, sondern für die Mandanten der Gesellschaft erfolgt und eine standeswidrige Einflussnahme, die einer Tätigkeit im Sinne der freien Rechtspflege entgegensteht, nicht zu erwarten ist.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, beim Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2014 für seine ab 1. November 2013 ausgeübte Tätigkeit für die Kanzlei D. die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht auszusprechen.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten streitig ist, ob der Kläger antragsgemäß von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien ist.

Der am 1973 geborene Kläger stellte am 08.11.2013 bei der Bayerischen Versorgungskammer, Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung, Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI). Im entsprechenden Formblattantrag bestätigte der Arbeitgeber des Klägers, die Steuerberatungsgesellschaft D. und Partner, eine Tätigkeit des Klägers in sämtlichen Bereichen der Steuerrechtspflege als Teilbereich der allgemeinen anwaltlichen Beratung. Der Kläger werde für die Mandantschaft selbstständig beratend, gestaltend und rechtsentscheidend tätig. Dem Antrag beigefügt war eine Durchschrift des Anstellungsvertrages mit Tätigkeitsbeginn zum 01.11.2013.

Die Bayerische Versorgungskammer, Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung, leitete den Antrag an die Beklagte weiter und bestätigte eine seit 23.08.2007 bestehende Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer München.

Auf das Schreiben der Beklagten vom 08.11.2013, wonach die Kriterien der Rechtsentscheidung und Rechtsgestaltung nicht hinreichend erläutert seien, verwies der Kläger mit Schreiben vom 13.12.2013 darauf, dass er in einer klassischen Kanzlei für Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung arbeite, wogegen die ergänzenden Fragestellungen der Beklagten ausschließlich an ein Wirtschafts- oder Industrieunternehmen gerichtet seien. Die Tätigkeit sei geprägt von Eigenverantwortung und Zeichnungsrecht, es werde ein eigener Mandantenstamm betreut mit sämtlichen Elementen der Vertragsgestaltung, Rechtsberatung/Steuerberatung und verfahrensrechtlicher Begleitung mit selbstständiger Durchführung von Klagen vor dem Finanzgericht oder Bundesfinanzhof.

Mit Bescheid vom 16.01.2014 lehnte die Beklagte die beantragte Befreiung von der Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ab.

Nach den gesetzlichen Voraussetzungen könne eine Befreiung nur für die Beschäftigung erfolgen, wegen derer der Versicherte aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung und zugleich kraft Gesetzes Mitglied einer berufsständischen Kammer ist. Es müsse also ein innerer Zusammenhang bestehen zwischen der zu befreienden Tätigkeit und dem berufsspezifischen Versicherungsschutz durch die berufsständische Versorgungseinrichtung.

Bei Rechtsanwälten müsse daher eine typische anwaltliche Berufstätigkeit ausgeübt werden, nicht jede Beschäftigung eines als zugelassener Anwalt tätigen Juristen rechtfertige die Befreiung. Für eine berufsspezifische Tätigkeit bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber (Syndikusanwalt) könne eine Befreiung nur ausgesprochen werden, wenn diese Kriterien anwaltlicher Tätigkeit (Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung) kumulativ erfüllt seien und daher ausschließlich für Personen mit diesem beruflichen Hintergrund zugänglich seien. Ausweislich der Stellenbeschreibung seien die Merkmale der Rechtsgestaltung und Rechtsentscheidung nicht hinreichend gegeben. So sei hinsichtlich der Rechtsgestaltung nicht nachvollziehbar dargelegt worden, dass der Kläger befugt sei, Vertrags- und Einigungsverhandlungen mit den verschiedensten Partnern des Arbeitgebers selbstständig zu führen. Hinsichtlich der Rechtsentscheidung fehle ein nach außen wirksames Auftreten als rechtskundiger Entscheidungsträger verbunden mit einer durch Handlungsvollmacht umschriebenen eigenen Entscheidungskompetenz.

Sofern für die Beschäftigung des Klägers die zweite juristische Staatsprüfung keine objektiv unabdingbare Zugangsvoraussetzung sei und die Beschäftigung auch anderen, nicht verkammerten Berufsgruppen zugänglich sei, handele es ...

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