Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Untätigkeitsklage. Zulässigkeit. Ablauf der Sperrfrist. Nachweis des Zugangs eines Fax-Schreibens bei der Behörde. Fax-Sendebericht. sekundäre Darlegungslast des Empfängers bei Bestreiten. Sachstandsanfrage keine Zulässigkeitsvoraussetzung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Fax-Sendebericht begründet eine sekundäre Darlegungslast des Empfängers, der den Zugang des Fax bestreitet.

 

Orientierungssatz

1. Zum Leitsatz vgl OLG Koblenz vom 4.7.2013 - 3 W 298/13.

2. Eine Sachstandsanfrage an die Behörde vor Klageerhebung ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Untätigkeitsklage (vgl LSG Essen vom 7.2.2013 - L 9 AL 367/12 B).

 

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, über den Widerspruch (Aktenzeichen des Bevollmächtigten: ) der Kläger vom 7. Juli 2017 gegen den Bescheid vom 20. Juni 2017 zu entscheiden und bis 31. Januar 2018 dem Bevollmächtigten

der Klägerin die Entscheidung hierüber bekannt zu geben.

II. Der Beklagte erstattet den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Untätigkeit des Beklagten im Zusammenhang mit dem Widerspruch der Kläger vom 07.07.2017 gegen den Bescheid des Beklagten vom 20.06.2017.

Die 1996 geborene Klägerin zu 1. und die 2016 geborene Klägerin zu 2., welche die Tochter der Klägerin zu 1. ist, sind Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft und stehen im laufenden Bezug von Leistungen zur Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Mit Bescheid vom 20.06.2017 verfügte der Beklagte eine Aufhebung sowie eine Erstattungsforderung gegenüber der Klägerin zu 1. in Höhe von 677,98 € und gegenüber der Klägerin zu 2. in Höhe von 279 €.

Hiergegen legte der Bevollmächtigte der Kläger am 07.07.2017 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass das Einkommen des Ehemannes der Klägerin zu 1. sich im März 2017 auf lediglich 717,90 € belaufen habe. Die Nachzahlung des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 20.02.2017 bis 30.04.2017 habe der Ehemann der Klägerin zu 1. erst am 08.05.2017 erhalten.

Am 17.10.2017 hat der Bevollmächtigte Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Der Klage sind das Widerspruchsschreiben vom 07.07.2017 und der dazugehörige Sendebericht beigefügt. Dem Sendebericht vom 07.07.2017 zufolge wurde das Fax von dem Anschluss mit der Nummer XXX um 18.27 Uhr an die Nummer XXX gesendet, die Übertragung der zwei Seiten dauerte 54 Sekunden, der Sendebericht ist mit einem "OK" Vermerk versehen.

Der Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass eine Untätigkeit des Beklagten nicht vorliege. Dem Bevollmächtigten sei seit April 2017 bekannt, dass der Faxanschluss des Beklagten "XXX" bis auf Weiteres nicht zu erreichen sei. Dies sei ihm mit Schreiben vom 18.04.2017 mitgeteilt worden. Der Bevollmächtigte schicke Faxe weiterhin an diesen Anschluss, obwohl ihm mitgeteilt worden sei, die Faxe an einen anderen Anschluss zu senden. Der Bevollmächtigte habe keine Empfangsbestätigung bezüglich des Widerspruches erhalten, da dem Beklagten ein Fax mit dem Widerspruch nicht vorliegt. Der Bevollmächtigte habe es vor Erhebung der Untätigkeitsklage unterlassen, beim Beklagten nachzufragen, ob das Fax eingegangen ist.

Das Gericht hat daraufhin mit Schreiben vom 13.11.2017 mit Fristsetzung bis 24.11.2017 und mit Erinnerungsschreiben vom 30.11.2017 um die Übersendung des Empfangsjournals des entsprechenden Faxgeräts des Beklagten gebeten.

Mit Schreiben vom 01.12.2017 hat der Beklagte das Empfangsjournal dem Gericht zugeleitet. Aus diesem ergibt sich insbesondere der Eingang zweier Faxe vom Anschluss des Bevollmächtigten am 07.07.2017 um 18.18 Uhr und 18.25 Uhr mit jeweils zwei Seiten, die Übertragungszeit hat jeweils 56 Sekunden betragen, als "Ergebnis" ist jeweils "Korrekt" vermerkt.

Der Bevollmächtigte der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch der Kläger vom 07.07.2017 gegen den Bescheid des Beklagten vom 20.06.2017 zu entscheiden.

Der Vertreter des Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Behördenakten Bezug genommen..

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Streitgegenstand ist die Untätigkeit des Beklagten auf den Widerspruch der Kläger vom 07.07.2017 gegen den Bescheid des Beklagten vom 20.06.2017.

1. Die Klage ist zulässig.

Die Klage ist als Untätigkeitsklage gemäß § 88 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn über einen Widerspruch nicht innerhalb von drei Monaten entschieden worden ist. Die Kammer ist nach Würdigung des Ergebnisses der Hauptverhandlung und des Akteninhalts überzeugt davon, dass entgegen des Vortrags des Beklagten eine Untätigkeit vorliegt und die Sperrfrist im Zeitpunkt der Klageerhebung abgelaufen ist.

Eine behördliche Entscheidung durch Bescheid über den vom Klägerbevollmächtigten behaupteten Widerspruch vom 07.07.2017 gegen den Bescheid vom 20.06.2017 liegt unstreitig nicht vor. Eine Weigerung, über einen Antrag oder einen Widerspruch zu entsche...

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