Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Stromkosten für den Betrieb einer Heizungsanlage. nicht Bestandteil des Regelbedarfs. keine gesonderte Erfassung. Schätzung. Rückgriff auf die zivilrechtliche Rechtsprechung. Anhaltspunkt für eine Schätzung. Heranziehung technischer Daten des Herstellers

 

Orientierungssatz

1. Stromkosten für den Betrieb einer Heizungsanlage werden nicht vom Regelbedarf nach § 20 Abs 1 S 1 SGB 2 erfasst, sondern sind als Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 zu berücksichtigen.

2. Zur Schätzung der Stromkosten für den Betrieb einer Heizungsanlage nach § 202 SGG iVm § 287 Abs 2 ZPO kann auf die zivilrechtliche Rechtsprechung zu Heizkostenabrechnungen in einem Mietverhältnis zurückgegriffen werden. Danach ist der Vermieter berechtigt, die als Teil der Heizkosten abzurechnenden Stromkosten für die Heizungsanlage zu schätzen, wenn gesonderte Zähler dafür nicht vorhanden sind. Die zivilgerichtliche Schätzung stützt sich dabei auf Erfahrungswerte, wonach die Kosten des Betriebsstroms maximal 5 % der Brennstoffkosten betragen (vgl LSG Stuttgart vom 25.3.2011 - L 12 AS 2404/08 und LSG Celle-Bremen vom 10.7.2012 - L 7 AS 988/11).

3. Liegen sonstige Anhaltspunkte für eine Schätzung vor, ist vorrangig auf diese zurückzugreifen. Daher kann ebenso auf die technischen Daten des Herstellers zurückgegriffen werden, wenn diese Angaben zum Bereitschafts-Energieverbrauch der Heizungsanlage enthalten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 03.12.2015; Aktenzeichen B 4 AS 47/14 R)

 

Tenor

1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 25. Januar 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. März 2011, 28. September 2011 und 12. Oktober 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2011 verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum Februar 2011 bis Juli 2011 weitere 21,96 C zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

3. Die Berufung wird zugelassen. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum Februar 2011 bis Juli 2011.

Der 1958 geborene Kläger bezieht seit Längerem Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Kläger bewohnt ein in seinem und dem Miteigentum seiner Ehefrau stehendes Eigenheim AM. Das Haus wird neben dem Kläger auch von der Ehefrau und der gemeinsamen Tochter bewohnt. Von seiner Ehefrau lebt der Kläger dauernd getrennt.

Das Haus wird mit einer Gasheizung beheizt. Zum Betrieb der Heizungsanlage wird Strom benötigt. Eine separate Messung des durch den Betrieb der Heizungsanlage anfallenden Stromverbrauchs erfolgt nicht.

Seinen Strom bezieht der Kläger vom Anbieter In der Zeit vom 1. April

2011 bis 31. März 2012 betrug der Arbeitspreis pro Kilowattstunde (kWh) 22,568 cent. Nach den technischen Daten des Herstellers hat die Heizungsanlage des Klägers einen Bereitschafts-Energieverbrauch von 1,61 kWh/Tag (24 Stunden).

Mit Bescheid vom 25. Januar 2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum Februar bis Juli 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 359,00 e sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 181,01 €. Die Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlage blieben unberücksichtigt.

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 7. Februar 2011 Widerspruch ein, Dieser wurde hinsichtlich der Unterkunftskosten am 28. März 2011 im Wesentlichen damit begründet, nicht nachvollziehbar sei, warum Kosten für Wasser und Abwasser, Müllgebühren, Gebühren für Schornsteinreinigung und Heizkosten nicht berücksichtigt worden seien. Er legte Nachweise zur aktuellen Gebäudeversicherungsprämie, den Gebührenbescheid für Trinkwasser und Abwasser, den Abschlagsnachweis des Gasversorgers sowie die Rechnung der Schornsteinfegergebühren vor.

Mit Änderungsbescheid vom 28. September 2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger nach Neuberechnung der Unterkunftskosten für den Zeitraum Februar bis Juli 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 364,00 € sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 197,27 € (Februar), 289,06 € (März) und 197,27 €(April bis Juli). Die Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlage blieben wiederum unberücksichtigt.

Der Kläger legte mit Fax vom 5. Oktober 2011 weitere Unterlagen seines Gasversorgers vor.

Mit Änderungsbescheid vom 12. Oktober 2011 berücksichtigte der Beklagte weitere Heizkosten und bewilligte dem Kläger neben monatlichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 364,00 € für den Monat Februar 2011 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 230,60 €; für den Monat März in Höhe von 322,39 € sowie für den Zeitraum April bis Juli 2011 in Höhe von 230,60 €. Erneut blieben die Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlage unberücksichtigt.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2011 als unbegründet zurück. Die Stromkosten seien nicht übernahmefähig, ...

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