Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Kostenerstattung gem § 25 S 1 SGB 12 für Krankenhausbehandlung. Antragstellung innerhalb angemessener Frist. Prozesszinsen

 

Orientierungssatz

1. Ein Krankenhaus hat Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen anlässlich einer stationären Krankenhausbehandlung eines Hilfebedürftigen gem § 25 SGB 12 analog, wenn dieser nicht nach dem BSHG, sondern nach dem AsylbLG leistungsberechtigt ist.

2. Für die Bestimmung, welche Frist nach § 25 S 2 SGB 12 angemessen ist, kommt es auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an, die durch die Interessen des Nothelfers und der in Not geratenen Person, aber auch durch die Belange des Leistungsträgers bestimmt werden (vgl BVerwG vom 27.1.1971 - V C 74/70 = BVerwGE 37, 133 = FEVS 18, 121 und VGH Mannheim vom 27.9.1995 - 6 S 2522/94). Der Lauf der Frist des § 25 S 2 SGB 12 beginnt erst ab Kenntnis des Nothelfers von der - zumindest wahrscheinlichen - Sozialhilfe-/Asylbewerberleistungsbedürftigkeit der in Not geratenen Person. Solange eine Sozialhilfe-/Asylbewerberleistungsbedürftigkeit nicht im Raum steht oder gar ersichtlich ist, besteht kein Anlass, überhaupt einen Nothelferanspruch geltend zu machen. Es beginnt auch nicht die Frist des § 25 S 2 SGB 12 zu laufen. Erhält der Nothelfer Kenntnis von Umständen, die eine Sozialhilfe-/Asylbewerberleistungsbedürftigkeit wahrscheinlich erscheinen lassen, ist er noch nicht verpflichtet "vorsorglich" einen Antrag gem § 25 SGB 12 zu stellen. Vielmehr hat er angemessene Zeit, die Anspruchsvoraussetzungen für einen Nothelferanspruch zu klären, bevor er einen entsprechenden Antrag beim Leistungsträger stellt. Dazu gehören insbesondere Ermittlungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Nothilfeempfängers. Denn der Nothelfer trägt die Beweislast für die Sozialhilfe-/Asylbewerberleistungsbedürftigkeit des Nothilfeempfängers (vgl BVerwG vom 28.3.1974 - V C 27/73 = BVerwGE 45, 131 = FEVS 22, 301).

3. Der Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von 4% ab Rechtshängigkeit findet seine Grundlage in entsprechender Anwendung von §§ 291, 288 Abs 1 S 2 BGB. Seine früher vertretene andere Auffassung zum Anspruch auf Prozesszinsen hat das BSG jedenfalls für eine von § 197a Abs 1 S 1 SGG erfasste Streitigkeit - wie der vorliegenden - aufgegeben (Anschluss an BSG vom 28.9.2005 - B 6 KA 71/04 R = BSGE 95, 141 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2).

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 16.08.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2006 verurteilt, der Klägerin 3.818,40 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 25.09.2006 zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagten. Der Streitwert wird auf 3.818,40 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung ihrer Aufwendungen für die stationäre Behandlung der Beigeladenen vom 04.02. bis 14.02.2003 in Höhe von 3.818,40 EUR.

Die Klägerin betreibt in Aachen ein zugelassenes Krankenhaus. Dort wurde die Beigeladene zunächst - nicht notfallmäßig - vom 22.01. bis 28.01.2003 und anschließend - notfallmäßig - vom 04.02. bis 14.02.2003 stationär behandelt. Dabei wies sie sich unter Vorlage einer entsprechenden Krankenversicherungskarte als "N.C." aus. Damals hatte die Beigeladene keinen festen Wohnsitz und hielt sich tatsächlich in Aachen auf. Sie war vollziehbar ausreisepflichtig. Seit August 2003 lebt sie in einem Übergangsheim für Asylbewerber in Duisburg und bezieht seitdem laufende Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Die Beigeladene war mehrere Jahre als Zwangsprostituierte tätig und ist HIV-infiziert. Zu Beginn des Jahres 2003 hatte sie mit der Prostitution bereits aufgehört. Sie hatte damals keine Einkünfte und keine Ersparnisse. Sie lebte bei Freunden. Bei der ersten Krankenhausbehandlung im Januar 2003 wurde bei der Beigeladenen eine gynäkologische Operation durchgeführt. Am 04.02.2003 wurde sie wegen extremer Vaginalschmerzen bei Entzündung der Wundfläche als Notfall in der Frauenklinik der Klägerin aufgenommen. Bis zur Entlassung am 14.02.2003 wurde die Wunde täglich gespült und die Infektion medikamentös behandelt.

Als sich die Klägerin wegen der Behandlungskosten an die auf der Krankenversicherungskarte angegebene Versicherte und deren Krankenkasse wandte, stellte sich heraus, dass die Klägerin möglicherweise über die Identität der behandelnden Person getäuscht worden war. Letzte Sicherheit, dass es sich bei dieser nicht um Frau C., sondern um die Beigeladene gehandelt hatte, erhielt die Klägerin durch weitere eigene Recherchen, durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, durch Angaben der Frau C. zur Identität der Beigeladenen (Schreiben vom 29.11.2005) durch einen Bluttest der Frau C. und durch Erklärung der (damaligen) Bevollmächtigten der Beigeladenen vom 30.03.2006, dass die Beigeladene Anfang 2003 im Krankenhaus der Klägerin behandelt worden war.

Mit Schreiben vom 03.02.2006 forderte die Klägerin die Beigeladene auf, die Behandlungskosten für die beiden Krankenhausaufenthalte bis spät...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge