Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.12.2007; Aktenzeichen B 8/9b SO 20/06 R)

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 27.07.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2005 sowie der Bescheide vom 03.11.2004, 25.11.2004 und 14.02.2005 verurteilt, dem Kläger die für die Zeit vom 01.04.2004 bis 31.03.2005 unter dem Vorbehalt der Rückforderung bzw. darlehensweise gezahlte Hilfe zum Lebensunterhalt als Zuschuss ohne Anrechnung des aus dem Blindengeld angesparten Vermögens zu belassen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger die für die Zeit vom 01.04.2004 bis 31.03.2005 darlehensweise gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt als Zuschuss ohne Anrechnung von durch Blindengeld angespartem Vermögen zu belassen ist.

Der 1973 geborene Kläger leidet an Multipler Sklerose und damit einhergehend an einer ausgeprägten Sehstörung; er ist mittlerweile erblindet. Er ist als Schwerbehinderter anerkannt nach einem Grad der Behinderung von 100 (Merkzeichen: B,G,H,RF). Er erhält seit 01.06.2002 monatlich Blindengeld nach dem nordrhein-westfälischen "Gesetz über Hilfen für Blinde und Gehörlose" (GHBG). Dieses betrug zunächst 567,00 Euro, steigerte sich ab 01.07.2002 auf 579,00 Euro und beträgt seit 01.07.2003 monatlich 585,00 Euro. Dies ergibt für die Zeit vom 01.06.2002 bis 31.03.2004 einen Gesamtbetrag von 12.780,00 Euro. Von dem Blindengeld, das laufend auf sein Girokonto überwiesen wurde, zahlte der Kläger von Januar 2003 bis Juli 2004 monatlich 200,00 Euro in einen Fonds (Franklin Templeton Investment Funds) und erwarb dadurch Anteile an diesem Fonds; weitere Beträge zahlte er auf ein Sparbuch bei der C Kreditbank ein.

Bis 31.03.2004 bezog der Kläger Sozialhilfe von der Stadt C ohne Anrechnung des - dort bekannten - durch Blindengeld angesparten Vermögens. Als er nach E zog, um in einer Blindenschule die Blindenschrift zu erlernen, beantragte er am 09.03.2004 bei dem Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt. Zu diesem Zeitpunkt betrug das Guthaben auf dem Sparbuch 5.433,38 Euro, aus den Fonds-Anteilen 3.478,65 Euro, insgesamt 8.912,03 Euro.

Nachdem der Beklagte für den Zeitraum von April bis Juni 2004 Leistungen unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zum Abschluss der Prüfung über den Einsatz des Vermögens gezahlt hatte (vgl. Bescheide vom 16.04. und 04.05.2004), lehnte er durch Bescheid vom 27.07.2004 die beantragte Hilfe zum Lebensunterhalt ab mit der Begründung, der Kläger verfüge über Vermögen in Höhe von 7.633,03 Euro (8.912,03 Euro abzüglich Freibetrag von 1.279,00 Euro), das er zur Deckung seines Bedarfs zum täglichen Leben vorrangig einzusetzen habe; das aus der "Blindenrente" angesparte Vermögen sei nicht als geschütztes Vermögen anzuerkennen. Zugleich forderte der Beklagte in diesem Bescheid die Rückzahlung der für die Monate April bis Juli 2004 gezahlten Leistungen in Höhe von 2.802,16 Euro. Dagegen erhob der Kläger am 13.08.2004 Widerspruch.

Am 20.08.2004 beantragte er beim Verwaltungsgericht (VG) Aachen - 1 M 000/00 - den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Gewährung vorläufiger laufender Hilfe zum Lebensunterhalt. Durch Beschluss vom 05.10.2004 schlug das VG Aachen den Beteiligten den Abschluss folgenden Vergleichs vor:

1. Der Antragsgegner gewährt dem Antragsteller für die Zeit ab 20.08.2004 zunächst bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides über den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27. Juli 2004 so lange regelsatzmäßige Hilfe zum Lebensunterhalt als Darlehen gemäß § 89 BSHG wie das vom Antragsgegner zugrunde gelegte verwertbare Vermögen des Antragstellers in Höhe von 7.633,03 Euro noch nicht verbraucht ist. Sollte der Widerspruch ohne Erfolg bleiben und der Kläger hiergegen klagen, verlängert sich die Praxis der darlehensweisen Hilfegewährung bis zum Verbrauch des Vermögens bzw. bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren.

2. Der Antragsgegner verzichtet bis zur Entscheidung über den Widerspruch bzw. bei Klageerhebung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Klage auf die Rückforderung bisher gezahlter Sozialhilfeleistungen.

3. Zur Sicherung des Rückforderungsanspruchs tritt der Antragsteller seine Ansprüche aus dem Spargutachten und dem Fondsguthaben bis zu einer Höhe von 7.633,03 Euro an den Antragsgegner ab. Der Antragsgegner erklärt, dass er unter sozialhilferechtlichen Gesichtspunkten eine Freigabe von Forderungen aus diesem Vermögen prüfen wird, wenn der Antragsteller darlegt und belegt, dass er Teile seines Sparvermögens für Anschaffungen benötigt, die unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des ihm gewährten Landesblindengeldes dem Ausgleich seiner Sehbehinderung bzw. Erblindung zu dienen bestimmt und geeignet sind (z.B. Anschaffung eines Blindenhundes, blindengerechte Zusatzgeräte für Computer u. dgl.).

4. Der Antragsgegner wird die darlehensweise Gewährung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt in einen Zuschuss umwandeln, w...

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