Zusammenfassung

 
Überblick

Schwerbehinderte Menschen als Mitarbeiter genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser ist wie alle anderen Arbeitgeberpflichten rund um schwerbehinderte Mitarbeiter im SGB IX verankert. Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne vorherige Anhörung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht, ist unwirksam. Der folgende Beitrag behandelt umfassend Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Rahmen der Kündigung von schwerbehinderten Beschäftigten unter Berücksichtigung der aktuellen Regelungen.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Das Recht der Schwerbehinderten ist im Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) geregelt. Durch das Bundesteilhabegesetz vom 23.12.2016 wurde es umfassend geändert (BGBl 2016 I S. 3234 ff.). Die letzte Änderung erfolgte durch das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts vom 6.6.2023.

1 Die Kündigung von schwerbehinderten Menschen

Bei der Kündigung von schwerbehinderten Menschen und Gleichgestellten muss der Arbeitgeber besondere Vorschriften des SGB IX beachten, denn diese Arbeitnehmer genießen Sonderkündigungsschutz. Das betrifft sowohl ordentliche als auch Änderungskündigungen. Auch im Fall von außerordentlichen Kündigungen stehen die schwerbehinderten Mitarbeiter unter besonderem Kündigungsschutz.[1]

Eine Probezeitkündigung ist allerdings auch für schwerbehinderte Mitarbeiter möglich, obwohl sie einem besonderen Kündigungsschutz unterliegen.[2]

Nach einer Entscheidung des ArbG Köln hat der Arbeitgeber auch während der Probezeit eines schwerbehinderten Mitarbeiters das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX zu beachten. Der Arbeitgeber sei dementsprechend verpflichtet, selbst vor einer Probezeitkündigung bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung sowie das Integrationsamt einzuschalten, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann. Ohne dieses Präventionsverfahren, das zumindest begonnen sein muss, könne die Probezeitkündigung eine unzulässige Benachteiligung des schwerbehinderten Menschen i. S. v. § 164 Abs. 2 SGB IX und damit unwirksam sein.[3]

Das ArbG urteilte damit entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BAG zur Vorgängernorm des § 167 SGB IX.[4]

Der Sonderkündigungsschutz gibt schwerbehinderten Menschen keine Beschäftigungsgarantie. Arbeitgeber können eine unternehmerische Entscheidung treffen, welche den bisherigen Arbeitsplatz eines schwerbehinderten Mitarbeiters durch eine Organisationsänderung entfallen lässt. Unternehmen sind nicht verpflichtet, für schwerbehinderte Beschäftigte einen Arbeitsplatz zu schaffen oder zu erhalten, den sie nach ihrem Organisationskonzept nicht mehr benötigen.[5]

2 Besonderer Kündigungsschutz

Besonderer Kündigungsschutz bedeutet: Möchte der Arbeitgeber einen schwerbehinderten Mitarbeiter entlassen, benötigt er hierfür die Zustimmung des Integrationsamts. Bei einem Betriebsübergang nach § 613a BGB muss sich der Betriebsübernehmer die Kenntnis des Betriebsveräußerers von der Schwerbehinderteneigenschaft eines Arbeitnehmers zurechnen lassen.[1] Der Sonderkündigungsschutz gilt allerdings nicht für schwerbehinderte Mitarbeiter,

  1. deren Schwerbehinderung zum Zeitpunkt der Kündigung nicht nachgewiesen ist oder bei denen das Versorgungsamt die Schwerbehinderteneigenschaft wegen fehlender Mitwirkung nicht nachweisen konnte.[2]

     
    Achtung

    Nachweis der Schwerbehinderung

    Als nachgewiesen gilt die Schwerbehinderung zum einen durch einen Feststellungsbescheid. Zum anderen ist sie aber auch dann nachgewiesen, wenn sie für den Arbeitgeber offenkundig ist.[3] Kündigt ein Arbeitgeber, für den die Schwerbehinderteneigenschaft eines Arbeitnehmers offenkundig ist, ohne Zustimmung des Integrationsamts, kann der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Kündigung bis zur Grenze der Verwirkung jederzeit geltend machen, wenn ihm eine entsprechende Entscheidung der zuständigen Behörde nicht bekannt gegeben worden ist.[4] Nach § 4 Satz 4 KSchG beginnt in derartigen Fällen die 3-wöchige Klagefrist gemäß § 4 Satz 1 KSchG erst ab der Bekanntgabe einer entsprechenden Entscheidung der Behörde (hier des Integrationsamts) an den Arbeitnehmer.[5]

  2. die nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX auf Stellen i. S. d. § 156 Abs. 2 SGB IX beschäftigt werden, das heißt:

    • Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist sowie Geistliche öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften.
      Beispiele: Ordensangehöri...

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