OFD Karlsruhe, 31.7.2000, S 1304 A - St 342/CH

Bedienstete des öffentlichen Dienstes sind in der Schweiz in der AHV (Alters- und Hinterlassenenversicherung) und nach dem BVG (berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge) obligatorisch (verpflichtend) versichert. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber leisten in diese Versicherungen Beiträge.

Soweit eine obligatorische Versicherung bei der AHV besteht, sind sich die Vertragsstaaten Deutschland und die Schweiz einig, dass es sich um sonstige Bezüge im Sinne des Art. 21 DBA handelt, somit das Besteuerungsrecht ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat zusteht. Der Schweiz steht dabei kein Quellenbesteuerungsrecht zu. Wenn ein in Deutschland ansässiger Steuerpflichtiger eine Rente aus der AHV bezieht, werden diese Rentenbezüge in Deutschland nach § 22 EStG mit dem Ertragsanteil ohne Anrechnung einer schweizerischen Steuer besteuert.

Sofern eine obligatorische Versicherung in einer Pensionskasse (Kasse im Sinne des BVG) besteht, handelt es sich nach schweizerischer Ansicht bei Vergütungen, die an die ehemals im öffentlichen Dienst beschäftigten Steuerpflichtigen gezahlt werden, um Leistungen aus einem Sondervermögen nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 DBA, für die die Schweiz als Kassenstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht (Quellensteuereinbehalt von derzeit 10 %) bzw. bei ehemaligen Grenzgängern das Recht auf Erhebung einer Abzugssteuer von 4,5 % nach Art. 19 Abs. 5i.V.m. Art. 15a DBA hat. Nach deutscher Auffassung fallen jedoch auch diese Leistungen unter Art. 21 DBA, da sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer Beiträge in die Pensionskasse nach dem BVG entrichten und daher kein „Ruhegehalt” im Sinne des Art. 19 Abs. 1 DBA vorliegt. Die schweizerische Abzugssteuer kann daher wie bei den Leistungen aus der AHV nicht auf die deutsche Steuer angerechnet werden.

Hinsichtlich dieser Problematik sind bereits in mehreren Einzelfällen Verständigungsverfahren zur Behebung der eingetretenen Doppelbesteuerungssituation anhängig (z.B. hinsichtlich der Renten aus der Pensionskasse des Basler Staatspersonals, aus der Beamtenversicherungskasse des Kantons Zürich und aus der Kantonalen Pensionskasse Schaffhausen). Eine Einigung der Vertragsstaaten konnte bisher noch nicht erzielt werden. Die Erörterung dieser Frage wurde bei den Verständigungsgesprächen in Berlin vom 7. bis 9.6. aufgrund von Erörterungen der steuerlichen Behandlung von Ruhegehältern auf OECD-Ebene nicht fortgesetzt. Es wurde hier jedoch vereinbart, dass den von einer Doppelbesteuerung betroffenen Steuerpflichtigen vorläufig durch einseitige Maßnahmen des Ansässigkeitsstaates Deutschlands bis zu einer endgültigen Entscheidung geholfen werden soll.

a) Vorläufige Beseitigung der Doppelbesteuerung im Veranlagungsverfahren:

Einkommensteuerveranlagungen der ehemals im schweizerischen öffentlichen Dienst beschäftigten Steuerpflichtigen, die Zahlungen aus einer Pensionskasse nach dem BVG erhalten, sind im Hinblick auf die anhängigen Verständigungsfälle hinsichtlich des steuerpflichtigen Ansatzes der Einkünfte vorläufig nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO durchzuführen. Die schweizerischen Quellensteuern sind dabei entsprechend den Höchstbeträgen des § 34c Abs. 1 EStG vorläufig anzurechnen. Hierbei ist der Steuerpflichtige jedoch auf die Möglichkeit einer zukünftigen Änderung der Steuerfestsetzung aufgrund einer Verständigungsvereinbarung hinzuweisen.

In den Erläuterungstexten zum Einkommensteuerbescheid ist dabei folgender Vermerk aufzunehmen:

„Der Bescheid ist vorläufig hinsichtlich der als sonstige Einkünfte angesetzten Bezüge aus der … (Name der Pensionskasse) …, weil fraglich ist, ob der Bundesrepublik Deutschland insoweit in Anwendung des Art. 21 DBA/Schweiz das Besteuerungsrecht zusteht. Aus dem gleichen Grund ist der Bescheid auch hinsichtlich der angerechneten Schweizer Steuer i.H.v. … DM vorläufig. Sobald die Ungewissheit hinsichtlich der Anwendung des DBA/Schweiz beseitigt ist, erhalten Sie einen entsprechend geänderten Bescheid.”

b) Vorläufige Beseitigung der Doppelbesteuerung im Einspruchsverfahren:

In den Fällen, in denen aufgrund der o.g. Problematik bereits ein Einspruch anhängig ist, kann Ruhen des Verfahrens und, sofern keine vorläufige Anrechnung im Veranlagungsverfahren erfolgt ist, Aussetzung der Vollziehung in Höhe der gezahlten schweizerischen Steuer gewährt werden. Bei der Berechnung der auszusetzenden Steuern sind allerdings die Höchstbeträge entsprechend § 34c Abs. 1 EStG zu beachten.

Es bestehen im Übrigen auch keine Bedenken, die ausschließlich wegen der Frage der Qualifikation der Rentenbezüge ehemaliger öffentlicher Bediensteter aus einer schweizerischen Pensionskasse nach dem DBA eingelegten Einsprüche durch nachträgliche Anrechnung der gezahlten schweizerischen Steuer und Anbringung des Vorläufigkeitsvermerks (Buchst. a) zu erledigen (Abhilfe nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO).

 

Normenkette

DBA-Schweiz Art. 19

DBA-Schweiz Art. 21

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