Zusammenfassung

 
Überblick

Durch das immer engere Zusammenleben der Menschen lässt es sich nicht vermeiden, dass bei der Benutzung von Mietwohnung, Eigentumswohnung oder eigenem Grundstück sog. Einwirkungen auf Nachbarwohnungen oder Nachbargrundstücke ausstrahlen, die dort subjektiv als Belästigung empfunden werden.

Jeder Nachbar ist aus dem Nachbarschaftsverhältnis heraus verpflichtet, derartige Einwirkungen in gewissem Umfang hinzunehmen. Wo die Grenze zwischen den noch hinzunehmenden und den nicht mehr zu tolerierenden Einwirkungen verläuft, ist für den Bereich des privaten Nachbarrechts § 906 BGB zu entnehmen. In dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber zum einen diejenigen Einwirkungen aufgezählt, um die es geht, nämlich Gase, Dämpfe, Gerüche, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Einwirkungen. Zum anderen hat der Gesetzgeber den nachbarlichen Interessenausgleich dahingehend geregelt, dass unwesentliche Einwirkungen geduldet werden müssen, wesentliche hingegen nur dann, wenn sie unvermeidbar und ortsüblich sind. Im letztgenannten Fall erfolgt ein Ausgleich in Geld (Geldrente), so lange die Einwirkung andauert. Keine Duldungspflicht besteht dagegen gegenüber solchen wesentlichen Einwirkungen, die entweder nicht ortsüblich oder zwar ortsüblich, aber mit zumutbarem wirtschaftlichen Aufwand zu verhindern sind.

Neben dieser Grundnorm des privaten Nachbarrechts hat in immer stärkerem Maße das öffentliche Nachbarrecht an Bedeutung gewonnen. Diesem kommt heute vor allem beim Schutz des Einzelnen vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Industrie und Gewerbe eine tragende Rolle zu. Denn im Bereich technischer Risiken hat in erster Linie der Staat einen Ausgleich zwischen den Interessen der Allgemeinheit an der Erhaltung und Fortentwicklung der Industriegesellschaft sowie den ähnlich gelagerten Interessen der Anlagenbetreiber auf der einen Seite und den Schutzinteressen der betroffenen Nachbarn auf der anderen Seite zu finden.

Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich auf die sog. zwischenmenschlichen Störfaktoren, die ihre Ursache nicht in industriell-gewerblichen oder vergleichbaren Anlagen haben, sondern die durch menschliche Verhaltensweise bedingt sind. Als Störfaktoren in diesem Sinn kommen ruhestörende Haus- und Gartenarbeiten, Gartenfeste und Grillparties, die Hausmusik oder Kinderlärm sowie vergleichbare Einwirkungen aus der Nachbarschaft nicht industriell-gewerblicher Natur in Betracht.

1 Der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz

Der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz ist zu fast 100 % Lärmschutz. Damit trägt das öffentliche Recht zum einen der Tatsache Rechnung, dass Lärmbelästigungen mit rund 70 % an der Spitze der nachbarschaftlichen Streitigkeiten stehen. Zum anderen lässt sich Lärm eher messen und bewerten, als andere Einwirkungen aus der Nachbarschaft.

 
Hinweis

Ausnahme: Gartengrill

Die einseitige Ausrichtung des öffentlichen Rechts auf den Lärmschutz im zwischenmenschlichen Bereich wird deutlich am Beispiel Gartengrill. Hierzu bestehen Regelungen nach öffentlichem Recht nur in Brandenburg[1] und Nordrhein-Westfalen.[2]

Nur in diesen Bundesländern kann der durch die Rauchentwicklung eines Gartengrills beeinträchtigte Nachbar die Polizei rufen, um die Belästigung, die eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit ist, abzustellen. In den anderen Bundesländern verbleiben dem genervten Nachbarn nur die zivilrechtlichen Abwehrmöglichkeiten (Näheres hierzu in Kap. 3.21).

Ruhezeiten

Im öffentlichen Lärmschutzrecht erfolgt der Interessenausgleich zwischen dem Störer einerseits und dem gestörten Nachbarn andererseits im Allgemeinen dadurch, dass bestimmte Zeiten festgelegt werden, in denen mit Lärm verbundene Arbeiten zum Schutz der Nachbarschaft nicht verrichtet werden dürfen. In diesen Fällen kann die Duldungspflicht des Nachbarn nach § 1004 Abs. 2 BGB (siehe hierzu auch Kap. 2.4) unmittelbar aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften hergeleitet werden. Denn wenn jemand etwa seinen Rasenmäher während der in öffentlich-rechtlichen Vorschriften zugelassenen Zeiten benutzt, handelt er rechtmäßig und ist umgekehrt der betroffene Nachbar zur Duldung des rechtmäßigen Tuns nach § 1004 Abs. 2 BGB verpflichtet.

Andererseits besteht keine Duldungspflicht bei lärmerzeugenden Betätigungen während der sog. Ruhezeiten. Als Ruhezeiten gelten im allgemeinen

  • die morgendliche Ruhezeit (von 6 bzw. 7 bis 7 bzw. 8 Uhr),
  • die Mittagsruhe (von 12 bzw. 13 bis 15 Uhr),
  • die Abendruhe (von 20 bis 22 Uhr) und
  • die Nachtruhe (von 22 bis 6 bzw. 7 Uhr),

die als Zeiten erhöhten Ruhebedürfnisses verstanden werden.

Ausschließlich auf das öffentliche Recht bleibt der betroffene Nachbar in den Fällen verwiesen, in denen die Beeinträchtigung mit dem Aufhören der Einwirkung von selbst beseitigt ist, was etwa auf das Abfeuern eines Knallkörpers oder auf einmalige laute Musik zur Nachtzeit zutrifft. Die Gefahr der Wiederholung wird zum Zeitpunkt der Klageerhebung regelmäßig nicht mehr bestehen. Es ist deshalb auch kein Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen nach § 1004 Abs. 1 BGB (Nachba...

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