Bei gewichtigen Gefahren, die von einem geschützten Baum ausgehen und die nicht etwa durch baumchirurgische Maßnahmen abgewendet werden können, kann ein Ausnahmetatbestand erfüllt sein, der einen Antrag auf eine Fällgenehmigung begründet. Es handelt sich um den in der Praxis häufigsten Antragsfall.

Unter Gefahr verstehen die Gerichte in diesem Zusammenhang eine Sachlage, die in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an den Rechtsgütern Leben, Gesundheit oder Eigentum führt. Dabei sind an die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts keine allzu strengen Anforderungen zu stellen.[1] Immerhin ist zu bedenken, dass die baumschutzrechtlichen Duldungspflichten die Verkehrssicherungspflicht des Grundeigentümers unberührt lassen, die im Falle eines Schadens zum Tragen kommt.

Von dem nachweispflichtigen Antragsteller kann nach Meinung der Gerichte in Anbetracht von Prognoseunsicherheiten sowie den Schwierigkeiten und dem Aufwand bei der Ermittlung des Zustands eines Baums in Bezug auf seine Standsicherheit und Bruchfestigkeit nicht verlangt werden, dass er den Nachweis einer akuten Gefahrenlage führt. Vielmehr muss es für den Nachweis einer Gefahr als ausreichend angesehen werden, dass ein Sachverhalt aufgezeigt oder festgestellt wird, der nach allgemeiner Lebenserfahrung auf den künftigen Eintritt eines Schadens hinweist. Dabei muss der Antragsteller nach Gerichtsmeinung nur solche Tatsachen darlegen, die seinen eigenen Erkenntnisbereich betreffen, sodass nicht in jedem Fall von ihm ein kostenaufwendiges Baumgutachten verlangt werden kann.[2]

 
Hinweis

Astabbruch eines gesunden Baumes

Die von Astabbrüchen eines gesunden Baumes ausgehenden Gefahren sind grundsätzlich als naturgebundene Lebensrisiken hinzunehmen, da ansonsten auch gesunde Bäume von den allgemein zugänglichen Flächen entfernt werden müssten.[3]

Auch naturgegebene Beeinträchtigungen, die mit der Existenz von geschützten Bäumen regelmäßig einhergehen, begründen nach der Rechtsprechung keine Gefahrenlage. Dazu zählen etwa Baumabfälle in Regenrinnen, Fallrohren oder der Dachkonstruktion, das Geräusch herabfallender Kastanien oder bei Starkwind nicht auszuschließende geringfügige Kratzschäden am Außenverputz durch Äste oder Zweige.[4] Derartige "natürliche Lebensäußerungen" von Bäumen stellen allenfalls Belästigungen, nicht aber Gefahren im Sinne der Ausnahme- oder Befreiungstatbestände dar.

Im Übrigen ist nach Meinung des OVG Berlin für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Fällen eines geschützten Baums kein Raum, wenn bereits durch die Teilbeseitigung von Ästen einer Beschädigung von baulichen Anlagen mit hinreichender Sicherheit vorgebeugt werden kann.[5]

[1] Vgl. VG Düsseldorf, Urteil v. 20.3.2020, 9 K 2682/19; VG Gelsenkirchen, Urteil v. 15.12.2020, 6 K 4/19.
[2] Vgl. OVG Saarlouis, Urteil v. 29.9.1998, 2 R 2/98, NuR 1999 S. 531; OVG Münster, Urteil v. 15.6.1998, 7 A 759/96, NuR 1999 S. 526; VG Aachen, Urteil v. 14.11.2007, 5 K 268/07, NVwZ-RR 2008 S. 458.
[3] BGH, Urt. v. 06.03.2014, III ZR 352/13, NJW 2014, 1588; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 16.2.2016, OVG 11 S 84/15.
[4] Vgl. OVG Berlin, Urteil v. 17.3.1995, 2 B 34.92, NuR 1996 S. 414; VGH Mannheim, Urteil v. 2.10.1996, 5 S 831/95, NJW 1997 S. 2128; OVG Berlin, Urteil v. 4.6.2004, 2 B 2/02, NVwZ 2005 S. 721.
[5] Vgl. OVG Berlin, Urteil v. 17.3.1995, 2 B 34.92, NuR 1996 S. 414.

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