Zur Begründung von Baunachbarklagen gegen Mobilfunkbasisstationen bieten sich im Wesentlichen die folgenden Argumente an.

Gebietserhaltungsanspruch

Der Gebietserhaltungsanspruch ist der Anspruch der Eigentümer von Grundstücken in einem Bebauungsplangebiet, dass bei der Errichtung eines Bauvorhabens in dem Gebiet die Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung beachtet werden. Mit diesem Anspruch soll eine schleichende Verfremdung des Baugebiets verhindert werden. Derselbe Nachbarschutz besteht auch im unbeplanten Innenbereich, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der BauNVO entspricht. Insgesamt geht es beim Gebietserhaltungsanspruch darum, dass in reinen und allgemeinen Wohngebieten eine ungewollte Häufung von nur ausnahmsweise zulässigen Mobilfunkbasisstationen verhindert wird.

Gebot der Rücksichtnahme

Das sich einerseits aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und andererseits aus § 34 Abs. 1 BauGB ergebende Gebot der Rücksichtnahme bedeutet die Pflicht, bei der Durchführung eines Bauvorhabens auf die schutzwürdigen Interessen anderer Nutzungsberechtigter Rücksicht zu nehmen und sie keinen unzumutbaren Störungen auszusetzen. Insbesondere im Hinblick auf mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen kann bei Vorliegen einer Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur für eine Mobilfunkbasisstation nicht von einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots ausgegangen werden. Eine Verletzung dieses Gebots ist aber denkbar, wenn sich eine Mobilfunkbasisstation nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung einfügt. Auch dürfen ausnahmsweise zugelassene Anlagen keine prägende Wirkung auf reine oder allgemeine Wohngebiete haben. Für eine erste und einzige Mobilfunkbasisstation in einem faktischen reinen Wohngebiet hat der VGH München eine derartige prägende Wirkung verneint. Eine Mitprägung des Baugebiets wäre seiner Meinung nach nur bei einer Massierung von derartigen Anlagen innerhalb eines Baugebiets denkbar.[1]

Optisch bedrängende Wirkung

Vom BVerwG ist anerkannt, dass etwa von Windkraftanlagen optisch bedrängende Wirkungen auf bewohnte Nachbargrundstücke ausgehen können, womit gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen wird.[2] Ob sich diese Rechtsprechung auf Mobilfunksendemasten übertragen lässt, erscheint zweifelhaft. Denn nach Ansicht des BVerwG ist für die Frage der optisch bedrängenden Wirkung einer Windkraftanlage nicht die Baumasse ihres Turms, sondern die in der Höhe wahrnehmbare Drehbewegung ihres Rotors von entscheidender Bedeutung. Gleichwohl hat des OVG Koblenz eine optisch bedrängende Wirkung eines freistehenden 25 m hohen schlanken Betonmastes für möglich gehalten, weil sein Abstand zum benachbarten Wohnhaus nur 25 m betrug.[3] Andererseits hat der VGH München eine optisch bedrängende Wirkung in einem Fall verneint, in dem ein freistehender schlanker Mobilfunkmast aus Schleuderbeton mit einer Höhe von etwa 50 m in einer Entfernung von rund 160 m vom nächst gelegenen Wohnhaus errichtet werden sollte.[4] Insgesamt wird man sagen können, dass eine optisch bedrängende Wirkung eines Mobilfunkmastes in unmittelbarer Nachbarschaft zur Wohnbebauung nicht von vornherein auszuschließen ist.

Wertminderung

Auf eine Wertminderung seines Anwesens wegen einer benachbarten Mobilfunkbasisstation kann sich ein Wohnnachbar nach der Rechtsprechung dagegen nicht berufen.[5] Die Abhängigkeit, in der Grundstücke zu der sie umgebenden städtebaulichen Situation stehen, schließt ein, dass die Grundstückswerte von dieser Situation beeinflusst werden und dass deshalb auch ungünstige Einflüsse hingenommen werden müssen, die auf legale Änderungen der Umgebung beruhen. Etwas anderes könnte allenfalls bei einem über die situationsbedingte Wertminderung hinausgehenden und schlechthin unzumutbaren Wertverlust einer Immobilie angenommen werden.

[1] So VGH München, Urteil v. 9.8.2007, 25 B 05.1339, BauR 2007 S. 1108; VGH München, Urteil v. 19.5.2011, 2 B 11.397, NVwZ-RR 2011 S. 851.
[2] Vgl. BVerwG, Beschluss v. 11.11.2006, 4 B 72/06, NVwZ 2007 S. 336.
[3] Vgl. OVG Koblenz, Urteil v. 1.3.2011, 8 C 11052/10, NVwZ-RR 2011 S. 549.
[4] Vgl. VGH München, Beschluss v. 14.6.2013, 15 ZB 13.612, NVwZ 2013 S. 1238.
[5] So VGH München, Beschluss v. 14.6.2013, 15 ZB 13.612, NVwZ 2013 S. 1238.

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