Leitsatz

1. Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene doppelte Schriftformklausel ist unwirksam.

2. Nachträgliche mündliche Individualvereinbarungen haben auch vor doppelten Schriftformklauseln in Formularverträgen Vorrang.

(amtliche Leitsätze des Gerichts)

 

Normenkette

BGB §§ 305b, 307 Abs. 1, 550

 

Kommentar

In einem Formularmietvertrag über Gewerberäume war vereinbart, dass Änderungen oder Ergänzungen des Vertrags schriftlich erfolgen müssen und dass eine Aufhebung der Schriftformklausel ebenfalls der Schriftform bedarf (sog. doppelte Schriftformklausel). Das Gericht hatte zu prüfen, ob sich ein Mieter bei dieser Vertragslage gleichwohl auf einen mündlichen Aufhebungsvertrag berufen kann.

Dies wird vom Senat bejaht: Nach seiner Auffassung ist es bereits zweifelhaft, ob ein Aufhebungsvertrag überhaupt von der Schriftformklausel erfasst wird, weil diese nach ihrem Wortlaut nur "Änderungen oder Ergänzungen" betrifft. Nach Ansicht des Gerichts war diese Frage nicht entscheidungserheblich, weil eine formularmäßig getroffene doppelte Schriftformklausel unwirksam ist. Nach § 305b BGB haben individuelle Vertragsabreden nämlich Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dies gilt auch für mündliche Vereinbarungen. Die Schriftformklausel erweckt dagegen den Eindruck, dass individualvertraglich getroffene Änderungs- oder Ergänzungsvereinbarungen nur wirksam sind, wenn sie schriftlich getroffen werden. Damit verstößt die Klausel gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, weil sich aus dem dort geregelten Transparenzgebot auch ein Täuschungsverbot ergibt.

Anmerkung

Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Wirksamkeit einer einfachen Schriftformklausel an § 305b BGB zu messen. Danach haben individuelle Vertragsabreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine Formularklausel, wonach Änderungen und Ergänzungen der Schriftform bedürfen, weicht von diesem Grundsatz ab und verstößt gegen das gesetzliche Leitbild des Vertragsrechts. Eine solche Klausel ist unwirksam (BGH, Urteil v. 15.2.1995, VIII ZR 93/94, NJW 1995, 1488, 1489).

Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass für langfristige Mietverträge, die in den Anwendungsbereich des § 550 BGB fallen, etwas anderes gilt (so: KG Berlin, Urteil v. 4.5.2000, 8 U 1641/99, MDR 2000, 1241; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Aufl., Rdn. 157). Folgt man dieser Ansicht, so ist zwar die einfache Schriftformklausel wirksam. Jedoch gilt auch hier der Grundsatz, dass die Parteien eine solche Klausel nach Abschluss des Mietvertrags mittels mündlicher Individualabsprache aufheben können. Die Individualabsprache kann ausdrücklich, aber auch stillschweigend getroffen werden (BGH, Urteil v. 6.3.1986, III ZR 234/84, NJW 1986, 1807 unter Ziff. II 2a). Es kommt nicht darauf an, ob die Parteien eine Änderung der Formularklausel beabsichtigt haben oder ob sie sich der Kollision mit der Formularklausel bewusst geworden sind (BGH, Beschluss v. 20.10.1994, III ZR 76/94, NJW-RR 1995, 179, 180). Durch die doppelte Schriftformklausel wird der Mieter über diese Rechtslage getäuscht; deshalb ist sie auch in einem formbedürftigen Vertrag unwirksam.

Praxis-Tipp

In einem Individualvertrag kann wirksam vereinbart werden, dass Änderungs- und Ergänzungsverträge der Schriftform bedürfen (BGH, Urteil v. 2.6.1976, VIII ZR 97/74, NJW 1976, 1395 für Vertrag unter Kaufleuten).

 

Link zur Entscheidung

OLG Rostock, Beschluss vom 19.05.2009, 3 U 16/09, NJW 2009, 3376

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