1. Berechnung des Gegenstandswerts

 

Rz. 2

Unmittelbarer Anwendungsbereich des § 23b ist das erstinstanzliche Musterverfahren.

 

Rz. 3

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Musterverfahren bestimmt sich nach der Höhe des von dem Auftraggeber oder gegen diesen im Ausgangsverfahren geltend gemachten Anspruchs, soweit dieser Gegenstand des Musterverfahrens ist. Wegen der besonderen Bedeutung des Musterverfahrens für den Ausgang des zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens wurde gesetzgeberisch nicht nur ein Bruchteil des Hauptsachewerts festgelegt.[2]

 

Rz. 4

§ 23b gilt auch für die Verfahrensgebühr (VV 3100) und die Terminsgebühr (VV 3104) bei der Vertretung des Musterklägers. Maßgeblich ist auch in diesem Fall die Höhe des im Ausgangsverfahren geltend gemachten Anspruchs. Der Gegenstandswert setzt sich dagegen nicht aus den Werten aller Ansprüche, die von den Feststellungszielen des Musterverfahrens betroffen sind, zusammen. Dem zusätzlichen Arbeitsaufwand für die Vertretung eines Musterklägers ist der Gesetzgeber dadurch gerecht geworden, dass einerseits der Gegenstandswert für die Vertretung des Musterklägers im Vergleich zu den Gegenstandswerten für die Vertretung Beigeladener regelmäßig höher liegen wird, weil die Höhe des Anspruchs ein Ermessenkriterium für die Bestimmung des Musterklägers ist (vgl. § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 KapMuG),[3] und dass andererseits dem Rechtsanwalt eine besondere Gebühr nach § 41a bewilligt werden kann.

 

Rz. 5

 

Beispiel: Zehn verschiedene Kläger erheben bei verschiedenen Prozessgerichten Klage auf Schadensersatz. Darunter ist auch der Kläger K, der von dem Rechtsanwalt R vertreten wird, mit seiner Schadensersatzklage über 20.000 EUR. Später wird – auch auf den Musterfeststellungsantrag des K – ein Musterverfahren vor dem OLG durchgeführt.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts R im Musterverfahren vor dem OLG beträgt 20.000 EUR. Es sind nicht die Werte aller von dem Musterverfahren betroffenen Ansprüche zu addieren. § 23b begrenzt den Gegenstandswert, weil das einzelne wirtschaftliche Interesse eines Musterklägers bzw. der Beigeladenen bzw. des Musterbeklagten im Musterverfahren nie höher als im Hauptsacheprozess sein kann.

[2] Vgl. BT-Drucks 15/5091, S. 27.
[3] Vgl. BT-Drucks 15/5091, S. 37.

2. Erstinstanzliche Gebühren und gebührenrechtliche Angelegenheit

 

Rz. 6

Der Rechtsanwalt verdient für seine Tätigkeit im Musterverfahren die Gebühren VV 3100 ff. (siehe Rdn 4). Denn bei dem Musterverfahren handelt es sich um eine Zivilsache in erster Instanz. Allerdings bilden nach § 16 Nr. 13 das Prozessverfahren (= Ausgangsverfahren) und das Musterverfahren dieselbe Angelegenheit.[4] Der Rechtsanwalt erhält daher lediglich diejenigen Gebühren, die ihm nicht bereits aus dem Prozessverfahren zustehen.

[4] Vgl. BGH 22.11.2016 – XI ZB 9/13, AGS 2017, 499 = RVGreport 2017, 181 = MDR 2017, 664; BGH 15.12.2015 – XI ZB 12/12, AGS 2016, 186 = RVGreport 2016, 132 = MDR 2016, 301.

3. Besondere Gebühr nach § 41a

 

Rz. 7

Für das erstinstanzliche Musterverfahren kann das OLG auf Antrag des Rechtsanwalts, der den Musterkläger vertritt, eine besondere Gebühr nach § 41a bewilligen. Die Gebühr zuzüglich Umsatzsteuer ist aus der Staatskasse zu zahlen (§ 41a Abs. 4). Dieser Betrag wird zu einer Auslage des Musterverfahrens (vgl. Nr. 9007 GKG-KostVerz.), die über Nr. 9018 GKG-KostVerz. anteilig auf die einzelnen Ausgangsverfahren verteilt wird.

 

Rz. 8

 

Beispiel: Der Kläger K, vertreten durch seinen Rechtsanwalt R, erhebt eine Schadensersatzklage über 20.000 EUR, die einen Gegenstand im Sinne von § 1 Abs. 1 KapMuG betrifft. Ein Termin findet im Prozessverfahren zunächst nicht statt. Das Ausgangsverfahren wird ausgesetzt. Vor dem OLG wird ein Musterverfahren durchgeführt, bei dem der Rechtsanwalt R den K ebenfalls vertritt. Das OLG entscheidet auf eine mündliche Verhandlung durch Musterentscheid. Im Ausgangsverfahren wird auf die mündliche Verhandlung ein Urteil erlassen.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts R im Ausgangsverfahren beträgt 20.000 EUR. Auch im Musterverfahren beträgt der Gegenstandswert – hier gemäß § 23b – 20.000 EUR. Für den Rechtsanwalt R ist zunächst bei der Vertretung im Ausgangsverfahren die Verfahrensgebühr nach VV 3100 entstanden. Für die Vertretung im Musterverfahren erhält der Rechtsanwalt R keine weitere Verfahrensgebühr, weil das Ausgangsverfahren und das Musterverfahren gemäß § 16 Nr. 13 eine einzige Angelegenheit sind.[5] In dem Musterverfahren hat der Rechtsanwalts R dann noch eine Terminsgebühr VV 3104 verdient. Auch die Terminsgebühr erhält Rechtsanwalt R im Ausgangsverfahren nicht erneut (vgl. § 16 Nr. 13).

[5] Vgl. BGH 22.11.2016 – XI ZB 9/13, AGS 2017, 499 = RVGreport 2017, 181 = MDR 2017, 664; BGH 15.12.2015 – XI ZB 12/12, AGS 2016, 186 = RVGreport 2016, 132 = MDR 2016, 301.

4. Musterverfahren

 

Rz. 9

Durch die Einführung von Musterverfahren können bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in denen (vgl. § 1 Abs. 1 KapMuG)

ein Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation,
ein Schadensersatzanspruch wegen Verwendung einer falschen od...

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