Rz. 9

Durch die Einführung von Musterverfahren können bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in denen (vgl. § 1 Abs. 1 KapMuG)

ein Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation,
ein Schadensersatzanspruch wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, oder
ein Erfüllungsanspruch aus Vertrag, der auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz beruht,

geltend gemacht wird, in einem Musterverfahren gebündelt und beschleunigt werden. Das Musterverfahren bietet die Möglichkeit, das Vorliegen oder Nichtvorliegen anspruchsbegründender oder anspruchsausschließender Voraussetzungen oder die Klärung von Rechtsfragen (Feststellungsziele) durch einen alle Beteiligten bindenden Musterentscheid festzustellen.

 

Rz. 10

Jeder Kapitalanleger kann dabei die Einleitung eines Musterverfahrens bei dem Prozessgericht im ersten Rechtszug beantragen (vgl. § 2 KapMuG). Ein zulässiger Musterfeststellungsantrag soll binnen sechs Monaten öffentlich bekannt gemacht werden (§ 3 Abs. 3 KapMuG). Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt in einem Klageregister (vgl. § 4 KapMuG). Mit der Bekanntmachung im Klageregister wird das zugrunde liegende Prozessverfahren unterbrochen (§ 5 KapMuG). Wenn innerhalb von sechs Monaten nach der ersten Bekanntmachung eines Musterverfahrensantrags mindestens neun weitere gleichgerichtete Musterverfahrensanträge bekannt gemacht werden, wird durch Vorlagebeschluss des Prozessgerichts eine Entscheidung des im Rechtszug übergeordneten Oberlandesgerichts über die Feststellungsziele herbeigeführt (§ 6 Abs. 1 KapMuG). Nach der Bekanntmachung des Vorlagebeschlusses im Klageregister setzt das Prozessgericht von Amts wegen alle bereits anhängigen oder bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsziele im Musterverfahren noch anhängig werdenden Verfahren aus, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängt (§ 8 Abs. 1 S. 1 KapMuG). Das gilt unabhängig davon, ob in dem Verfahren ein Musterverfahrensantrag gestellt wurde (§ 8 Abs. 1 S. 2 KapMuG). Beteiligte des Musterverfahrens sind der Musterkläger, der Musterbeklagte und die Beigeladenen (§ 9 Abs. 1 KapMuG). Das Gericht bestimmt aus den Klägern einen Musterkläger (vgl. § 9 Abs. 2 KapMuG). Die übrigen Kläger werden zu Beigeladenen (§ 9 Abs. 3 KapMuG). Die Beklagten werden zu Musterbeklagten (§ 9 Abs. 5 KapMuG). Das OLG erlässt auf der Grundlage einer mündlichen Verhandlung durch Beschluss einen Musterentscheid (§ 16 Abs. 1 KapMuG). Es besteht aber im Musterverfahren auch die Möglichkeit eines Vergleichsschlusses (vgl. § 17 KapMuG). Der Musterentscheid bindet die Prozessgerichte in allen nach § 8 Abs. 1 KapMuG ausgesetzten Verfahren (§ 22 Abs. 1 S. 1 KapMuG). Gegen den Musterentscheid ist die Rechtsbeschwerde nach § 20 KapMuG statthaft.

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