Entscheidungsstichwort (Thema)

Werbung für und Vertrieb von Gleitsichtbrillen über das Internet

 

Normenkette

UWG §§ 3-5, 8; MPG § 4

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 13.12.2013)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 03.11.2016; Aktenzeichen I ZR 227/14)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Kammer für Handelssachen III des LG Kiel vom 13.12.2013 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR, Ordnungshaft höchstens zwei Jahre) zu unterlassen,

Gleitsichtbrillen, denen nur Daten aus dem Brillenpass einschließlich der Pupillendistanz ohne HSA-Wert (Hornhautscheitelabstand), die Fassungsvorneigung und die Einschleifhöhe (vertikale Zentrierung) zugrunde liegen, anzubieten oder anbieten zu lassen, ohne gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass ihre Benutzung eine Gefahr im Straßenverkehr darstellen kann.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 83 % und die Beklagte 17 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Soweit die Berufung zurückgewiesen wird, ist das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 80.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 375.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten, dass diese es unterlasse, mit bestimmten Aussagen für Gleitsichtbrillen zu werben oder Gleitsichtbrillen, die auf eingeschränkter Datengrundlage hergestellt sind, in Verkehr zu bringen, anzubieten oder zu bewerben. Hilfsweise verlangt der Kläger, dass die Beklagte solche Gleitsichtbrillen jedenfalls nicht ohne Warnhinweis anbiete.

Wegen des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das LG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei zwar nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG prozessführungsbefugt, könne aber dennoch von der Beklagten nicht verlangen, dass diese die beanstandeten Handlungen unterlasse. Die beanstandeten Werbeaussagen seien teils nichts sagend, teils zutreffend, also insgesamt nicht zur Täuschung geeignet und deshalb auch nicht nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG irreführend. Aus dem klägerischen Sachvortrag ergäben sich auch keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für den begründeten Verdacht, dass die Brillen selbst bei sachgemäßer Anwendung Sicherheit und Gesundheit der Anwender unvertretbar gefährdeten, ihr Inverkehrbringen also nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG verboten und deshalb nach § 4 Nr. 11 UWG unlauter sei. Die Brillen ohne Warnhinweis anzubieten oder zu bewerben, sei auch nicht nach § 5a Abs. 2 UWG unlauter, so dass auch dem Hilfsantrag nicht zu entsprechen sei.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seine Anträge aus der ersten Instanz wiederholt. Der Kläger greift das angefochtene Urteil mit folgenden Argumenten an:

Die mit dem Antrag zu 1 beanstandete Werbung mit bestimmten Aussagen sei nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG irreführend, da diese Aussagen unwahre Angaben über die wesentlichen Merkmale der Brillen enthielten. Die Bezeichnung der Brillen als "hochwertig" sei deshalb unwahr, weil diese Bezeichnung ausweislich entsprechender Wörterbücher fehlerfreie Qualität und eine hochwertige Optikerleistung verspreche, und zwar nicht für einzelne Bestandteile, sondern für die Brille als Ganze. Tatsächlich werde dieses Versprechen wegen Fehlens einer persönlichen Untersuchung des Anwenders nicht erfüllt. Die Bezeichnung als "individuelle Gleitsichtbrillen ..., bestehend aus ... Premium-Gleitsichtgläsern in Optiker-Qualität" sei deshalb unwahr, weil sich das Fehlen einer persönlichen Untersuchung des Anwenders in der Qualität der Brillen niederschlage und die Brillen, weil sie nicht die für individuelle Korrektionsbrillen geltenden Zentriernormen der DIN EN 21987 erfüllten, auch nicht individuell seien. Auf seine eigenen Erfahrungen habe das LG in diesem Punkt nicht zurückgreifen dürfen. Jeder Anwender wisse, dass Sitz und Anpassung der Brille wichtige Bestandteile der Dienstleistung des Optikers ausmachten, gehe also wegen der Werbung mit einer "Optikerqualität" irrtümlich davon aus, dass auch die Beklagte diese Dienstleistung erbringe. Aus den von ihm, dem Kläger, vorgelegten Gutachten ergebe sich die Mangelhaftigkeit der von der Beklagten beworbenen Gleitsichtbrillen.

Das mit dem H...

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