Entscheidungsstichwort (Thema)

Unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen eines Kettenüberlassungsvertrags; daraus resultierende Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung; Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit bei der Feststellung des Vorliegens einer vorsätzlich unerlaubten Handlung nach Abgabe der Vermögensauskunft gem. § 802c ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Abgrenzung einer (hier unerlaubten) Arbeitnehmerüberlassung gegenüber einem Dienst- oder Werkvertrag erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch für das übrige Zivilrecht zu folgen ist, nach folgenden Kriterien (vgl. zuletzt LAG Niedersachen, Urteil vom 19.01.2015 - 8 SA 643/14 mit zahlreichen Nachweisen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung):

- Eine Überlassung zur Arbeitsleistung i. S. v. § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AÜG liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen. Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat.

- Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausübung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen.

- Über die rechtliche Einordnung des Vertrags zwischen dem Dritten und dem Arbeitgeber entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht.

2. Eine Arbeitnehmerüberlassung ist gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG unerlaubt, wenn die Klägerin selbst vorträgt, zur Arbeitnehmerüberlassung nicht berechtigt zu sein

3. Sie ist auch gemäß dem zum 01.04.2017 eingeführten § 1 Abs. 1 Satz 3 AÜG als sog. Kettenüberlassung verboten, wenn zwischen der Klägerin als Verleiherin und den ausgeliehenen Arbeitnehmern kein Arbeitsverhältnis besteht.

4. Rechtsfolge schon des Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG ist, dass der Vertrag zwischen den Parteien unwirksam ist und die Klägerin nicht die vereinbarte Vergütung verlangen, sondern lediglich Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Beklagten geltend machen kann (vgl. nur BGH, Urteil vom 18.07.2000 - X ZR 62/98).

5. Dabei stellt der Senat nicht auf einen Wertersatz für die von den Leiharbeitnehmern beim Beklagten geleisteten Dienste ab, denn ein solcher Wertersatz soll dem (unerlaubten) Verleiher ausdrücklich nicht zustehen (vgl. BGH, Urteil v. 25.06.2002 - X ZR 83/00).

6. In den vom BGH entschiedenen Fällen (vgl. auch BGH, Urteil v. 08.11.1979 - VII ZR 337/78) ging es stets um eine "einstufige" Arbeitnehmerüberlassung, bei der § 10 AÜG das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer fingiert. Bei der "einstufigen" Überlassung - so der BGH - soll es dem Verleiher nicht verwehrt sein, die Vergütung, die er selbst anstelle des Entleihers an den Leiharbeitnehmer gezahlt hat, von dem Entleiher zurückzuverlangen, weil dieser sonst ungerechtfertigt bereichert wäre.

7. Vergleichbar aber zu den Aufwendungen, die der Entleiher bei einer "einstufigen" Arbeitnehmerüberlassung gehabt hätte, hat aber auch der Beklagte im Rahmen der hier vorliegenden Ketten-Arbeitnehmerüberlassung Vergütungsaufwendungen erspart, nämlich diejenigen, die er - hätte er selbst direkt die eingesetzten Mitarbeiter ausgeliehen - an den ursprünglichen Verleiher hätte zahlen müssen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Beklagte für die erhaltene Arbeitsleistung nicht wenigstens diese ersparten Aufwendungen zahlen sollte, während die Klägerin anderenfalls nicht nur keine Werkvergütung erhielte, sondern zusätzlich auch noch zur Zahlung der Vergütung für die Leiharbeitnehmer an die Verleihfirma verpflichtet wäre. Eine übermäßige Sanktionierung des (unerlaubten) Verleihers im Verhältnis zum Entleiher entspricht nicht der Gesetzesintention entspricht (vgl. BGH, Urteil v. 08.11.1979 - VII ZR 337/78). Diese Bereicherung durch ersparte Aufwendungen kann die Klägerin von dem Beklagten verlangen.

8. Betreffend die Feststellung zum Vorliegen einer vorsätzlich unerlaubten Handlung (hier: Eingehungsbetrug gemäß § 263 StGB) rechtfertigt die Abgabe der...

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