Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechenbarkeit einer Panikreaktion im Zusammenhang mit dem Überholen einer Fahrzeugkolonne

 

Normenkette

StVG § 17 Abs. 1; StVO § 5 Abs. 2 S. 1

 

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 1) 9.448,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.4.2009 und die Beklagten zu 1 und 2 zusätzlich nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom 24.3.2009 bis 29.4.2009 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 2) 1.009,46 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.4.2009 und die Beklagten zu 1 und 2 zusätzlich nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom 24.3.2009 bis 29.4.2009 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin zu 1) sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem Unfall vom 4.8.2008 auf der B76 künftig entstehen, zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind.

4. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 1) 887,03 EUR nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren sowie an die Klägerin zu 2) 201,71 EUR nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen, jeweils die Beklagten zu 1) und 2) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 24.3.2009, die Beklagte zu 3) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 30.4.2009.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 1) 19 %, die Klägerin zu 2) 4 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 77 %.

Von den außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen der Klägerin zu 1) tragen die Beklagten gesamtschuldnerisch 78 %, von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) tragen die Beklagten gesamtschuldnerisch 66 %, von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin zu 1) zu 19 % und die Klägerin zu 2) zu 4 %. Im Übrigen findet eine Kostenausgleichung nicht statt.

7. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Klägerinnen verlangen materiellen und immateriellen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall.

Am 4.8.2008 befuhr die Klägerin zu 1) mit dem von der Klägerin zu 2) gehaltenen Pkw (Toyota, amtl. Kennzeichen...) die B76 aus E in Richtung P. In Gegenrichtung fuhr der Beklagte zu 1) mit dem von der Beklagten zu 2) gehaltenen Pkw (BMW M5, amtl. Kennzeichen...), haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 3). In Höhe der Ortschaft D überholte der Beklagte zu 1) mehrere vor ihm fahrende Fahrzeuge. Er will die Klägerin zwar in einer von ihm geschätzten Entfernung von 800 bis 1000 m gesehen habe, dachte aber, dass er noch "locker" die beiden vor ihm in einer Kolonne fahrenden Fahrzeuge überholen könnte. Die Klägerin zu 1) betätigte zunächst die Lichthupe, wich auf eine rechts neben der Fahrbahn liegende Busspur aus, geriet auf den Grünstreifen und verlor dabei die Kontrolle über ihr Fahrzeug. Sie drehte sich und schleuderte auf den auf der Gegenfahrbahn befindlichen Pkw des Zeugen K. Sie prallte sodann von diesem Fahrzeug ab und kollidierte mit ihrem Heck mit der Frontseite des Fahrzeugs des Beklagten zu 1). Durch den Unfall erlitt das Fahrzeug der Klägerin zu 2) einen Totalschaden. Die Klägerin zu 1) wurde bei der Kollision nicht unerheblich verletzt: Schädelhirn-Trauma I. Grades, HWS-Distorsion und Zungenbissverletzung. Sie war wegen eines posttraumatischen Belastungstraumas vom 6.11.2008 bis zum 5.9.2010 in psychotherapeutischer Behandlung.

Der Beklagte zu 1) akzeptierte wegen des Unfalls einen Strafbefehl des AG P vom 11.11.2009 (Az.:... Cs...) wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c Abs. 3 Nr. 2 StGB. Gegen ihn wurde eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 60,00 EUR und ein dreimonatiges Fahrverbot verhängt.

Die Klägerinnen haben behauptet, die Klägerin zu 1) sei mit dem Fahrzeug auf den Grünstreifen geraten, weil sie dem entgegenkommenden Fahrzeug habe ausweichen wollen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Die Klägerin zu 1) habe durch den Unfall eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten. Letztere habe eine Behandlung bei der Psychologin G und der Fachärztin B nötig gemacht. Neben krankengymnastischen Maßnahmen habe sie auch osteopathische Behandlungen in Anspruch nehmen müssen.

Die Klägerin zu 1) beansprucht ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 12.000,00 EUR. Sie hat außerdem folgende materielle Schadensersatzpositionen geltend gemacht:

Zerstörte Gegenstände (vgl. Anlage K12, Bl. 31 f. d.A.):

585,27 EUR

Einzelzimmerzuschlag

425,30 EUR

Attestkosten

5,00 EUR

Fitness-Studio

230,00 EUR

Zuzahlung Krankengymnastin

21,70 EUR

Zuzahlung Krankengymnastin

21,70 EUR

Osteopathie

330,00 EUR

Zuzahlung Apotheke

5,00 EUR

Fahrtkosten Lebenspartner

81,60 EUR

Zuzahlung Krankentransport und Krankenhausbehandlung

100,00 EUR.

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