Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftsanspruch des Scheinvaters. Auskunftsanspruch des Scheinvaters auf Benennung des Erzeugers

 

Leitsatz (amtlich)

Nach Treu und Glauben kann zur Vorbereitung eines Rückgriffs ein Anspruch des Scheinvaters gegen die Mutter eines Kindes auf Auskunft bestehen, wer ihr in der Empfängniszeit beigewohnt hat. Für die erforderliche Sonderverbindung genügt jeder qualifizierte soziale Kontakt, weshalb die durch ein nichtiges Rechtsgeschäft entstandene Rechtsbeziehung - hier: Anerkennung der Vaterschaft, Gewährung von Betreuungsunterhalt - ausreicht.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 1600d, 1601-1602, 1607, 1610, 1615l

 

Verfahrensgang

AG Rendsburg (Urteil vom 10.12.2008; Aktenzeichen 23 F 235/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 09.11.2011; Aktenzeichen XII ZR 136/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG - Familiengericht - Rendsburg vom 10.12.2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, dem Kläger Auskunft zu erteilen, wer ihr in der Zeit vom 24.3.2006 bis einschließlich 21.7.2006 beigewohnt hat.

Die Kosten der Berufung fallen der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 3.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger leistete als Scheinvater des am ... 2007 nichtehelich geborenen Kindes A Betreuungs- und Kindesunterhalt. Er will zur Vorbereitung eines Rückgriffs von der Beklagten wissen, wer ihr in der Empfängniszeit beigewohnt hat.

Der 1961 geborene Kläger ist Polizeibeamter außer Dienst. Die 45-jährige Beklagte ist Hausfrau und betreut neben A ihren 2001 geborenen Sohn B. Dessen Vater ist der verheiratete C, der Vater von vier ehelichen Kindern ist. Die Beklagte bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie erhält für A Kindesunterhalt i.H.v. monatlich 202 EUR.

Die Parteien lebten bis zur Trennung im Frühjahr 2006 etwa zwei Jahre in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Nach einem Versöhnungsversuch trennten sie sich im Frühsommer 2006 erneut. Der Kläger erkannte die Vaterschaft mit Zustimmung der Beklagten am 9.11.2006 an. Er zahlte an die Beklagte neben 1.200 EUR für die Erstlingsausstattung 2.075 EUR Kindesunterhalt und rund 1.300 EUR Betreuungsunterhalt. Die Parteien blieben nach ihrer Trennung durch mehrere vor dem Familiengericht Rendsburg geführte Verfahren verbunden. So stellte der Kläger einen Antrag auf Regelung des Umgangs mit A (23 F 70/07). Die Kosten des dazu eingeholten psychologischen Gutachtens hatte der Kläger jedenfalls zum Teil zu tragen. In dem Prozess über Betreuungs- und Kindesunterhalt (49 F 142/07) verständigten sich die Parteien auf die Einholung eines Vaterschaftsgutachtens. Auf dessen Grundlage stellte das Familiengericht mit Urteil vom 19.12.2007 fest, dass der Kläger nicht der Vater von A ist (23 F 286/07). Das nahm der Kläger zum Anlass, in der Regionalzeitung bekannt zu geben, dass er nicht der Vater von A sei. Er nimmt die Beklagte schließlich in einem vor dem LG Kiel anhängigen Rechtsstreit auf Zahlung von Wohnkosten aus der Zeit ihres Zusammenlebens in Anspruch (1 S 6/09).

Das Familiengericht hat die Beklagte zur Auskunft verurteilt. Darauf habe der Kläger nach § 242 BGB einen Anspruch. Nachdem der BGH eine Durchbrechung der sog. Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 4 BGB in besonders gelagerten Einzelfällen zugelassen habe, sei die ältere, einen Anspruch auf Auskunft verneinende Rechtsprechung überholt. Schützenswerte Interessen der Beklagten stünden der Erteilung der Auskunft nicht entgegen. Dass ihr ein anderer Mann während der Empfängniszeit beigewohnt habe, sei längst offenbar.

Die Beklagte wendet mir ihrer Berufung ein, es fehle an einer Anspruchsgrundlage. Ihr Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre würde durch den Zwang zur Auskunft verletzt. Die Vermögensinteressen des Klägers müssten zurückstehen. Nach dem Geschlechtsverkehr mit dem Kläger im April 2006 habe sie bis zur Feststellung der Schwangerschaft mit keinem anderen Mann verkehrt. Nachdem ihre Regel vor April 2006 nicht ausgeblieben sei, habe sie gutgläubig angenommen, dass der Kläger der Vater von A sei. Die Voraussetzungen des § 826 BGB lägen deshalb nicht vor.

Die Beklagte beantragt, das am 10.12.2008 verkündete Urteil des AG Rendsburg aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Wenn ein Scheinvater nach der geänderten Rechtsprechung des BGH den Vater direkt in Regress nehmen könne, müsse dieser von der Mutter auch Auskunft verlangen können, wer Vater des Kindes ist.

Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

II. Die Berufung der Beklagte hat keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546...

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