Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherung im Schulgebäude

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verkehrssicherungspflicht im Schulgebäude kann nicht unklar auf die Lehrer übertragen werden.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 823

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 25.04.2008; Aktenzeichen 12 O 287/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25.4.2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des LG Kiel unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.329,42 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.3.2007 sowie weitere 105,02 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.8.2007 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtstreits in beiden Instanzen tragen die Beklagte 80 % und die Klägerin 20 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert beträgt für beide Instanzen 1.629,42 EUR, hiervon 300 EUR für den Feststellungsantrag.

 

Gründe

I. Im April 2006 montierten Schüler der Abschlussklasse der Fachrichtung Technik des Fachgymnasiums der Gewerblichen Berufsschule in der K-straße in einem nach Umbau als solchem neu eingerichteten Lehrerzimmer in mehreren Etappen ein metallenes Wandregal (2 × 0,3 × 4 m). Dabei wurden sie angewiesen und angeleitet von den Oberstudienräten A und B, denen die Beklagte nach der Verkündung des angefochtenen Urteils den Streit verkündet hat. Die Montage erfolgte nicht fachgerecht und standsicher, denn es fehlten die zur Aussteifung des Regals erforderlichen Knotenbleche sowie die Wandbefestigungen, die ein Umkippen verhindert hätten (vgl. den Unfalluntersuchungsbericht, Anlage K 1, Anlagennadel in der Tasche der Akte).

Am 5.5.2006 kippte das Regal um und fiel auf die bei der Klägerin versicherte Reinigungskraft C. Diese zog sich ein Schädelhirntrauma ersten Grades, eine Schädelprellung, eine HWS-Distorsion sowie eine Prellung des rechten oberen Sprunggelenks zu. Sie stellte sich deswegen im Städtischen Krankenhaus vor, wo sie zur Überwachung bis zum 7.5.2006 stationär aufgenommen wurde (vgl. den Durchgangsarztbericht vom 5.5.2006, Anlage K 2). Der Klägerin entstanden hieraus Heilbehandlungskosten für die drei Krankenhaustage i.H.v. 1.329,42 EUR (vgl. die Schadensaufstellung Anlage K 5). Die Arbeitsunfähigkeit der Frau C betrug ca. acht Tage.

Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte sei verkehrssicherungspflichtig und hafte auf den bislang entstandenen und möglicherweise zukünftig eintretenden Schaden. Sie behauptet, bei den bei der Versicherten aufgetretenen Verletzungsfolgen müsse aufgrund deren Schweregrades mit weiteren Folgeschäden gerechnet werden.

Die Beklagte hat behauptet, der Regalaufbau sei ohne Wissen und Auftrag des Schulträgers erfolgt und diesem deshalb nicht zurechenbar (Bl. 13).

Das LG hat der Klage - mit Ausnahme eines Teils der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, die es auf einen niedrigeren Streitwert (2.329,42 EUR, davon 1.000 EUR und nicht, wie klägerseits angesetzt, 4.000 EUR für den Feststellungsantrag) berechnet hat - stattgegeben. Es hat gemeint, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflichten schuldhaft verletzt. Als Trägerin der Schule sei sie dafür verantwortlich, dass das Schulgebäude mit allen Räumen sich in einem Zustand befinde, in dem für die Benutzer keine vermeidbaren Gefahren für deren Gesundheit ausgingen. Das gelte auch für die in den Schutzbereich der Verkehrssicherungspflicht einbezogenen Reinigungskräfte, die sich in erheblichem Umfang in der Schule aufhielten. Die Beklagte habe dafür Sorge tragen müssen, dass die Montage so erfolgte, dass das Wandregal standsicher sei. Unabhängig von einem Auftrag und/oder konkreter Kenntnis habe die Beklagte für eine entsprechende Kontrolle sorgen müssen, die durch Rundgänge durch das Gebäude zu bewerkstelligen sei. Dass die Beklagte ihrer Verpflichtung durch entsprechende Organisation und Anweisung der für sie tätigen Personen nachgekommen sei, habe diese trotz gerichtlichen Hinweises nicht vorgetragen. Tatsächlich sei eine Kontrolle der Räume mindestens im Abstand von einer Woche erforderlich, wodurch hier der Unfall vermieden worden wäre.

Die Berufung der Beklagten macht geltend, der von ihr eingesetzte Hausmeister sei qualifiziert und zuverlässig und habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet. Der Schaden wäre auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden, denn auf die unzureichende Wandbefestigung habe der Hausmeister bei seinen Rundgängen, die nach Feierabend erfolgten, nicht stoßen können und müssen.

Stellten Lehrkräfte ein Wandregal auf, könne und müsse davon ausgegangen werden, dass Aufstellen und Montage fachgerecht erfolgten, insbesondere, wenn es sich - wie hier - um fachkundige Lehrkräfte gehandelt habe.

Die unfallursächliche (hier unterbliebene) Absicherung sei eine Selbstverständlichkeit. Sie habe daher auch keiner besonderen Kontrolle bedurft, zumal der Mangel bei einem Rundgang auch nicht sichtba...

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