Leitsatz (amtlich)

Deliktischer Schädigungsvorsatz des Motorenherstellers bei Dieselmotor mit "Thermofenster"

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2, § 826; EG-FGV §§ 6, 27; StGB § 263

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 16.10.2018, Az. 7 O 133/18, aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits 1. und 2. Instanz zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der zu vollstreckenden Forderung abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Schadenersatz wegen des Kaufs eines Pkw Mercedes Benz, Typ 220 CDI mit einem Dieselmotor, welchen der Kläger mit Kaufvertrag vom 21.02.2012 von der D... AG Niederlassung Hamburg zum Kaufpreis von 38.890,00 EUR als Gebrauchtwagen mit einem Kilometerstand von 14.153 km erwarb. In dem Fahrzeug ist ein Motor vom Typ OM 651 verbaut. Es weist die Abgasnorm "Euro 5" auf. Die Beklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs.

Die Parteien streiten darüber, ob in dem Motor des Typs OM 651 eine Motorsteuersoftware verbaut ist, welche so programmiert ist, dass sie erkennt, ob sich das Fahrzeug in einer Prüfungssituation befindet oder im regulären Betrieb.

Das Landgericht hat insofern im unstreitigen Tatbestand ausgeführt, dass im Prüfungssituationsmodus der Motor so eingestellt sei, dass auf dem Prüfstand geringere Stickoxidwerte erzielt würden als im üblichen Straßenverkehr. Nur im Prüfstandsmodus würden die Werte eingehalten, die zur Einstufung des Fahrzeugs in die "Euro 6" Norm benötigt würden. Außerhalb dieses Modus würden die NOx-Werte um ein Vielfaches überschritten. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagtenseite vom 22.11.2018, dies als streitigen Klägervortrag zu behandeln, wurde vom Landgericht durch Beschluss vom 14.12.2018 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich behauptet, im streitgegenständlichen Fahrzeug sei keine Programmierung, insbesondere keine "Manipulationssoftware" verwendet worden, die - manipulativ - so gestaltet worden wäre, dass auf der Straße unter "normalen Betriebsbedingungen" ein anderes Emissionsverhalten des Emissionskontrollsystems erzielt werde als auf dem Prüfstand. Richtig sei, dass bei gleichen Betriebsbedingungen sich das System auf dem Prüfstand vielmehr genauso wie auf der Straße verhalte (und umgekehrt). Das streitgegenständliche Fahrzeug erfülle die Grenzwerte der einschlägigen Euro-Norm.

Bezüglich des weiteren Sachverhalts wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage, soweit sie nicht zurückgenommen wurde, stattgegeben. Es hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 26.487,11 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu zahlen sowie den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt, die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten beziehungsweise zur Freistellung von weiteren Rechtsanwaltskosten verurteilt und zudem festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren Schaden zu ersetzen.

Das Landgericht führt aus, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 826 BGB i. V. m. § 831 BGB zu. Mitarbeiter der Beklagten hätten dem Kläger gemäß § 826 BGB in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt, indem der Motor des streitgegenständlichen Motors so konstruiert worden sei, dass er nur in der Prüfungssituation NOx-Mengen ausgestoßen habe, die den Grenzwerten der Euro-5-Abgasnorm genügt hätten und ansonsten der NOx-Ausstoß um ein Vielfaches höher gelegen hätte.

Das Gericht habe den Vortrag der Klägerseite insofern als unstreitig zugrunde legen können. Die Beklagte habe bei verständiger Würdigung ihres Vorbringens diese Behauptung überhaupt nicht bestritten. Da die Beklagte erklärt habe, dass das System bei gleichen Betriebsbedingungen auf dem Prüfstand sich genauso wie auf der Straße verhalte und umgekehrt, stelle sie nur dar, dass unter gleichen Voraussetzungen die gleichen Ergebnisse erzielt würden. Das bedeute, dass die gleichen Ergebnisse dann erzielt würden, wenn beim alltäglichen Gebrauch auf der Straße dieselben Voraussetzungen geschaffen würden, wie sie auf dem Prüfstand herrschten. Der klägerische Vortrag gehe aber dahin, dass unter alltäglichen Bedingungen auf der Straße ein erhöhter NOx-Ausstoß zu verzeichnen sei. Die Beklagte habe nicht ausreichend bestritten, dass das klägerische Fahrzeug einen solchen höheren Ausstoß an NOx aufweise. Aus dem Vortrag der Beklagtenseite sei zu erkennen, dass die Beklagte sich hier lediglich auf die Werte beziehe, die unter Prüfstandsbedingungen gemessen würden. Ihrem Vortrag könne nicht entnommen werden, dass sie tatsächlich behaupte, dass unter den Bedingungen im alltäglichen Gebrauch auf der Straße die Werte eingehalten würden, die nach den gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden müssten. Die Beklagte habe damit die k...

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