Entscheidungsstichwort (Thema)

Wissenszurechnung beim Gebrauchtwagenkauf

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Käufer eines Gebrauchtwagens wird über dessen Unfallfreiheit arglistig getäuscht, wenn der für die Verkäuferin im Rahmen der Vertragsverhandlungen auftretende Mitarbeiter die Unfallfreiheit behauptet, obwohl in einer anderen Niederlassung der Verkäuferin das Wissen über einen Unfallvorschaden vorhanden ist (Wissenszurechnung).

2. Ungeachtet dessen kann der Käufer eines Gebrauchtwagens wegen Sachmangels vom Kaufvertrag zurücktreten, da eine Nachlieferung angesichts der individuellen Kaufentscheidung für den konkreten Gebrauchtwagen unmöglich ist.

 

Normenkette

BGB §§ 123, 166, 275, 323, 326, 346, 358, 434, 812

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Urteil vom 30.12.2004; Aktenzeichen 10 O 304/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 07.06.2006; Aktenzeichen VIII ZR 209/05)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 30.12.2004 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des LG L. - 10 O 304/03 - abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die D.C. Bank GmbH, .... 29.000 EUR nebst 8,03 % Zinsen p.a. seit dem 13.8.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Kläger in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückgewähr des Kaufpreises aus einem am 14.3.2002 mit der Beklagten abgeschlossenen und über die D.C. Bank GmbH finanzierten Kaufvertrag über den Pkw Daimler Benz E 320 T Kfz-Nr. YYY.

Das Fahrzeug ist von der Niederlassung L. der Beklagten im Internet angeboten worden. Nach telefonischer Kontaktaufnahme besichtigte der Kläger es und bestellte es anschließend auf einem Bestellformular der Beklagten am 14.3.2002, das den Hinweis enthielt, das Fahrzeug sei nach den Angaben des Vorbesitzers unfallfrei. Anlässlich eines Werkstattbesuchs erfuhr der Kläger, das Fahrzeug habe doch einen schweren Unfall gehabt. Auf seine Reklamation hin ließ die Niederlassung L. der Beklagten es mit Auftrag vom 29.1.2003 durch einen neutralen Sachverständigen begutachten. Dieser bestätigte in seinem Gutachten vom 21.2.2003 (Bl. 11 ff.) nicht nur den Unfall, sondern auch eine nicht fachgerechte Reparatur. Die voraussichtlich noch anfallenden Reparaturkosten bezifferte er auf netto 1.774,28 EUR, die technische Wertminderung im Fall eines Verzichts auf die Reparatur auf 800 EUR. Es stellte sich heraus, dass die nicht fachgerechte Reparatur im Herbst 1998 in der Niederlassung M. der Beklagten stattgefunden hatte. Die Beklagte erklärte sich gleichwohl für nicht verantwortlich. Der Kläger erklärte daher durch Anwaltsschreiben vom 24.4.2003 (Bl. 29-31 d.A.) die Anfechtung seiner Kaufvertragserklärung wegen arglistiger Täuschung. Er hat mit Schriftsatz vom 1.8.2003, der Beklagten zugestellt am 13.8.2003, Klage erhoben. Er hat behauptet, der Verkäufer der Beklagten habe auf seine ausdrückliche Nachfrage hin die Unfallfreiheit des Fahrzeugs bestätigt. Dies sei in Kenntnis des Unfalls geschehen, weil in der Datenbank der Beklagten sämtliche bei ihr vorgenommenen Reparaturen unter der jeweiligen Fahrzeugidentitätsnummer gespeichert seien. Zumindest habe der Verkäufer der Beklagten die Unfallfreiheit "ins Blaue hinein", d.h. in Kenntnis ihrer möglichen Unrichtigkeit behauptet. Außerdem habe der Verkäufer erklärt, die Fahrzeuge würden vor der Weitergabe an die Niederlassungen in der Zentrale konkret auf Vorschäden "gecheckt".

Er hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, sich mit der Rückgängigmachung des Kaufvertrages über das Fahrzeug Marke Daimler Benz E 320 T, Fahrzeug-Ifd.-Nr. XXX, mit dem amtlichen Kennzeichen YYY, zustande gekommen durch die verbindliche Gebrauchtwagenbestellung vom 14.3.2002, einverstanden zu erklären und an die Darlehensgeberin, die D.C. Bank GmbH, 29.000 EUR nebst 8,03 % p.a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte die Kosten der Rückabwicklung und entstandene Schäden des Klägers zu tragen hat.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Kenntnis ihres Verkäufers von dem Unfall bestritten. Auch die Existenz einer Datenbank, bei der mögliche Reparaturen abgefragt werden könnten, hat sie in Abrede gestellt. Sie hat sich ferner darauf berufen, das Fahrzeug von der D. C. Service Leasing GmbH zusammen mit einem Bewertungsgutachten der DEKRA erworben zu haben, das seinerseits keinen Hinweis auf den Unfall enthalte.

Das LG hat Beweis erhoben darüber, ob 1. dem Kläger mitgeteilt worden ist, sämtliche Fahrzeuge würden vor der Freigabe zum Weiterverkauf konkret auf Vorschäden "gecheckt" und ob 2. Reparaturarbeiten in Mercedes-Fachbetrieben zentral gespeichert und damit für die Verkäufer jederzeit abrufbar sind. Aufgrund der Beweisaufnahme hat das LG die Klage als unbegründet abgewiesen. Es sei nicht feststellbar, dass die Beklagt...

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