Leitsatz (amtlich)

1. Auch nach der Schuldrechtsreform sind Tiere nicht bereits generell ab der Geburt als gebrauchte Sachen i.S.d. Verbrauchsgüterkaufrechts anzusehen. Ein 6 Monate altes Hengstfohlen ist objektiv eine neue Sache.

2. Bei dem Verkauf von Verbrauchsgütern in einer öffentlichen Versteigerung ist die Qualifizierung einer Kaufsache als neu oder gebraucht i.S.d. § 474 Abs. 1 S. 2 BGB nicht allein nach objektiven Gesichtspunkten zu treffen. Vielmehr können die Parteien jedenfalls beim Tierkauf vereinbaren, ob sie von gebrauchten oder neuen Tieren ausgehen wollen.

 

Normenkette

BGB §§ 474-475

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 06.04.2005; Aktenzeichen 4 O 279/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 15.11.2006; Aktenzeichen VIII ZR 3/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 6.4.2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Kiel wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Rückzahlung des Kaufpreises nach Rücktritt von einem Vertrag über den Erwerb eines seinerzeit 6 Monate alten Hengstfohlens auf einer Auktion der Beklagten und zudem Schadensersatz geltend.

Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien I. Instanz und ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Etwaige Ansprüche des Klägers wegen des behaupteten angeborenen und deshalb bereits bei Übergabe bestehenden Herzfehlers des Fohlens seien jedenfalls verjährt. Die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf fänden auf gebrauchte Sachen, die in einer öffentlichen Versteigerung verkauft würden, keine Anwendung (§ 474 Abs. 1 S. 2 BGB), weshalb hier eine Verjährungsfrist von weniger als zwei Jahren habe vereinbart werden können. Ein sechs Monate altes Fohlen sei als gebrauchte Sache anzusehen. Die Beklagte habe auch keine Garantie dafür übernommen, dass das Hengstfohlen nicht unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen leide.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung des Klägers.

Der Kläger macht geltend: Die Entscheidung des LG laufe der Bestimmung des § 90a BGB zuwider, nach der die für Sachen geltenden Vorschriften auf Tiere entsprechend anzuwenden seien. Unstreitig seien deshalb auch die Vorschriften zum Verbrauchsgüterkauf auf Tiere anzuwenden. Würde man aber der erstinstanzlichen Ansicht folgen, dann wären sämtliche Vorschriften, welche sich auf den Verkauf gerade von neuen Sachen beziehen, auf Tiere nicht anwendbar. Das könne nicht richtig sein.

Vielmehr handele es sich bei dem 6 Monate alten Fohlen nicht um eine gebrauchte Sache. Der Grund für die unterschiedliche Behandlung von neu hergestellten und gebrauchten Sachen liege in den durch Gebrauch entstehenden besonderen Gefahren und Risiken. Ein 6 Monate altes Fohlen sei aber lediglich mit dem in seiner Existenz wurzelnden Lebens- und Gesundheitsrisiko behaftet, nicht jedoch mit dem typischerweise durch den Gebrauch als Reitpferd entstehenden Risiko. Mit diesem Argument sei bereits vom BGH entschieden worden, dass lebend gelieferte Forellen als neu hergestellte Sachen anzusehen seien. Entsprechend habe das LG Aschaffenburg für 9 Wochen alte Hundewelpen geurteilt und auch das OLG Düsseldorf habe in einem jüngeren Urteil die Auffassung abgelehnt, ein Tier sei bereits mit der Geburt als gebraucht anzusehen. Als möglicher Zeitpunkt einer Qualifizierung als gebrauchte Sache könne der Moment des Absetzens eines Fohlens von der Mutterstute angenommen werden. Dieser Zeitpunkt sei zum Zeitpunkt des Verkaufs des streitgegenständlichen Jungpferdes noch nicht erreicht gewesen. Mithin könnten die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf nicht wirksam ausgeschlossen sein.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an den Kläger 8.151 EUR zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Herausgabe des Pferdes Hokkaido, Lebensnummer: DE 409090056802 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte macht geltend: Es könnte dahingestellt bleiben, ob es sich hier um einen Verbrauchsgüterkauf handele. Selbst wenn dies der Fall sei, könnten Parteien doch gem. § 475 Abs. 2 BGB die Verjährungsfrist für gebrauchte Sachen auf ein Jahr verkürzen. Das sei hier geschehen. Bei dem Hengstfohlen handele es sich um eine gebrauchte Sache. Insoweit könne es auf die Verwendungsmöglichkeit nicht ankommen, zumal diese bei Pferden erst ab einem Alter von etwa 3 Jahren eintrete und es auch Pferde gebe, die niemals als Reit- oder Zuchttier eingesetzt würden. Ein Pferd sei aber schon in den ersten Jahren diversen Gefahren ausgesetzt, die über das allgemein...

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