Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Aufklärungspflichten des Pkw-Verkäufers bei Unfallschaden; Beweislast bei Teilinformation

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Arglisthaftung eines KfZ-Verkäufers: Wenn der Verkäufer im Kaufvertrag nur eine unzureichende schriftliche Teilinformation zu Unfallschäden gegenüber dem Käufer abgegeben hat, so trifft ihn die Beweislast dafür, dass er den Käufer vollständig und richtig aufgeklärt hat.

2. Die Bezeichnung „Heckschaden! (Heckklappe, Stoßstange) und lackiert” gibt den entscheidenden Umfang des Schadensbildes (= kräftiger linksseitiger Heckschaden mit leichtem Hinterwagenverzug und einer drauf beruhenden gutachterlich festgestellten Wertminderung i.H.v. 1.800 DM) nicht wieder. Zwar schließt der Begriff „Heckschaden” nach gewöhnlichem Sprachgebrauch auch die Möglichkeit schwerster Schäden ein, durch den Klammerzusatz „(Heckklappe, Stoßstange)” und den Hinweis auf die Neulackierung wird dem Käufer jedoch suggeriert, dass anlässlich des Schadensereignisses nur unwesentliche Anbauteile wie Heckklappe und Stoßstange beschädigt, erneuert und lackiert werden mussten. Die Formulierung ist damit irreführend, denn sie bagatellisiert den Schadensumfang.

 

Normenkette

BGB § 460 S. 1, § 476; StPO § 477

 

Verfahrensgang

LG Flensburg (Aktenzeichen 4 O 353/00)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 26.02.2003; Aktenzeichen VIII ZR 286/01)

BGH (Urteil vom 26.02.2003; Aktenzeichen VIII ZR 270/01)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 26.1.2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Flensburg wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Beklagten beträgt 24.439 DM.

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Wandlungsanspruch gemäß §§ 459, 462, 467, 346 ff. BGB zu. Ein Fehler der Kaufsache liegt dann vor, wenn der tatsächliche Zustand der Kaufsache von dem Zustand abweicht, den die Vertragspartner bei Abschluss des Kaufvertrages gemeinsam vorausgesetzt haben und diese Abweichung den Wert der Kaufsache herabsetzt oder beseitigt (Palandt/Putzo, BGB, 60. Aufl., § 459 Rz. 8). Das mit Kaufvertrag vom 22.12.1994 verkaufte streitgegenständliche Fahrzeug wies bei Übergabe an den Kläger einen Fehler, nämlich einen „kräftigen linksseitigen Heckschaden mit leichtem Hinterwagenverzug” auf.

Auf den vertraglichen Gewährleistungsausschluss i.S.v. § 476 BGB, auf die Verjährung nach § 477 BGB und auf einen Haftungsausschluss nach § 460 S. 1 BGB kann sich die Beklagte nicht berufen, weil sie einen entscheidenden Teil des Fehlers, nämlich den Verzug des Hinterwagens, bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig verschwiegen hat.

Das Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsache eine Aufklärungspflicht besteht (Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 123 Rz. 5). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Verkäufer eines gebrauchten Kraftfahrzeuges dem Käufer einen ihm bekannten Unfallschaden auch ungefragt mitzuteilen hat, wenn er sich nicht dem Vorwurf arglistigen Verschweigens aussetzen will (BGH v. 3.3.1982 – VIII ZR 78/81, NJW 1982, 1386 = MDR 1982, 923; v. 3.12.1986 – VIII ZR 345/85, NJW-RR 1987, 436 [437]). Das gilt hier erst recht mit Blick darauf, dass es sich bei der Beklagten um eine gewerbliche VW/Audi-Fachwerkstatt handelt, der unstreitig der Umfang des Unfallschadens aufgrund des Gutachtens J vom 13.7.1994 bekannt war und die den Unfallschaden auch selbst repariert hat.

Die Beklagte behauptet, sie habe den tatsächlichen Umfang des Schadens dem Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages mitgeteilt und nicht verschwiegen. Wenn der Verkäufer – wie hier – nur schriftliche (Teil-)Informationen zu Unfallschäden gegenüber dem Käufer abgegeben hat, so trifft ihn die Beweislast dafür, dass er den Käufer vollständig und richtig aufgeklärt hat (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 7. Aufl., Rz. 1885 m.H. auf OLG Bamberg NJW-RR 1994, 1333; OLG Hamm v. 6.5.1996 – 32 U 143/95 nicht veröffentlicht). Dieser Nachweis ist der Beklagten nicht gelungen.

Der Zeuge S., der als ehemaliger Angestellter der Beklagten seinerzeit den Kaufvertrag vermittelt hat, konnte sich an die Einzelheiten und den Wortlaut des Verkaufsgesprächs nicht mehr erinnern. Nach seinen Bekundungen sei primär das besprochen worden, was auch in der Vertragsurkunde dokumentiert sei. Andererseits konnte der Zeuge S. auch nicht die Behauptung des Klägers bestätigen, dass von dem Zeugen bei Vertragsschluss gesagt worden sei, der Unfallschaden sei durch das rückwärts Einfahren eines Rentners in seine Garage entstanden und dabei seien nur geschraubte Teile beschädigt worden. Im Ergebnis ist die Aussage des Zeugen S. damit unergiebig.

Der Nachweis einer vollständigen und umfassenden Aufklärung über den Unfallschaden ergibt sich auch nicht aus der Vertragsurkunde. Der schriftliche Kauf...

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