Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungsbefugnis bei wechselbezüglicher Verfügung

 

Leitsatz (amtlich)

Setzen sich Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testamten gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmen anschließend - vor der nachfolgenden Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Kinder -, der Längstlebende solle "über den beiderseitigen Nachlass frei verfügen können", spricht angesichts des nicht eindeutigen Wortlauts und fehlender Anhaltspunkte außerhalb des Testamentes jedenfalls die systematische Stellung dieses Satzes im Gefüge des Testamentes dafür, dass nur eine lebzeitige Verfügungsfreiheit gemeint ist und dem Längstlebenden nicht das Recht eingeräumt werden soll, die wechselbezügliche Schlusserbeneinsetzung zu ändern.

 

Normenkette

BGB §§ 2270-2271

 

Verfahrensgang

AG Eutin (Beschluss vom 15.04.2013)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des AG - Nachlassgericht - Eutin vom 15.4.2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 1) nach einem Geschäftswert von 87.500 EUR.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die Erbfolge nach der am ... 2012 verstorbenen X. Die Beteiligte zu 1) ist die Tochter, der Beteiligte zu 2) der Sohn der Erblasserin.

Am 20.10.1978 errichteten die Erblasserin und ihr Ehemann, Herr Y, handschriftlich ein gemeinschaftliches Testament. Darin heißt es:

"Unser letzter gemeinsamer Wille!

Wir, die unterzeichneten Y und X, setzen uns hiermit zu Erben ein. Der Längstlebende von uns soll über den beiderseitigen Nachlass frei verfügen können.

Nach dem Tod des Längstlebenden sollen Erben sein, und zwar zu gleichen Teilen

1.) unser Sohn A2.) unsere Tochter B"

Die Erblasserin war gemeinsam mit ihrem Bruder und ihrer Schwester Erbin zu je einem Drittel nach ihrer im Jahre 1965 verstorbenen Mutter. Im Nachlass befand sich ein Grundstück der Familie der Erblasserin im heutigen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Am 1.8.1991 schlossen die Erblasserin und ihre Schwester mit dem Beteiligten zu 2) einen notariellen Erbanteilsüberlassungsvertrag (Bl. 29 ff. d.A.).

Der Ehemann der Erblasserin verstarb am 23.3.1994.

Am 1.6.2007 errichtete die Erblasserin ein Testament, das von dem Notar K beurkundet wurde (UR-Nr.). Darin heißt es u.a.:

"Ich will ein Testament errichten und bin durch frühere Verfügungen von Todes wegen daran nicht gehindert.

[...]

Ich setze meine Tochter B zu meiner alleinigen Erbin ein."

Die Beteiligte zu 1) hat über den Notar Z einen von diesem am 20.4.2012 beurkundeten Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, der sie als Alleinerbin ausweisen solle (Bl. 2 ff. d.A.).

Sie hat vorgetragen, der Anteil der Erblasserin an dem Grundstück in Mecklenburg-Vorpommern (ca. 21 ha landwirtschaftliche Fläche) habe schon zum Zeitpunkt der Erbteilsübertragung etwa einen Wert von 167.000 EUR gehabt. Ihre Einsetzung als Alleinerbin durch das Testament aus 2007 sei als Ausgleich für die Zuwendung dieser Fläche an den Beteiligten zu 2) im Jahre 1991 erfolgt. Die Widerruflichkeit der Schlusserbeneinsetzung ergebe sich bereits aus der Wortwahl des gemeinschaftlichen Testamentes, da dieses eine Verfügung des Längstlebenden über den "beiderseitigen Nachlass" gestatte. Die Erblasserin habe die Zuwendung an den Beteiligten zu 2) (Fläche in Mecklenburg-Vorpommern) folgerichtig nicht unter Lebenden ausgeglichen, da sie von der Möglichkeit einer Regelung von Todes wegen ausgegangen sei.

Der Beteiligte zu 2) ist dem Antrag entgegengetreten. Die Erblasserin habe das Testament von 1978 nicht einseitig widerrufen können. Der übertragene Erbteil sei im Zeitpunkt der Übertragung lediglich 55.000 DM wert gewesen; zu diesem Preis habe er im Jahre 1993 den Erbteil des Bruders der Erblasserin dessen Erben abgekauft.

Das AG - Nachlassgericht -... hat den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins mit Beschluss vom 15.4.2013, dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) am 19.4.2013 zugestellt, zurückgewiesen. Die Erblasserin habe das gemeinschaftliche Testament von 1978 gem. § 2271 Abs. 2 BGB nicht widerrufen können, da die Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Kinder zur jeweiligen Erbeinsetzung des Ehegatten als Alleinerbe wechselbezüglich sei. Die Widerruflichkeit sei auch nicht in dem Testament von 1978 angeordnet gewesen. Wenn die Eheleute dort von "beiderseitigen Nachlass" gesprochen hätten, sei damit nicht gemeint, dass nach dem Tode des ersten Ehegatten der andere von Todes wegen frei verfügen können solle. Vielmehr spreche die Systematik des Testamentes gegen eine solche Auslegung. Die Bestimmung sei nämlich bereits nach der beiderseitigen Erbeinsetzung zum Alleinerben des Erstversterbenden eingefügt worden und nicht etwa erst nach der Schlusserbeneinsetzung. Dies lege nahe, dass die Eheleute nur hätten klarstellen wollen, dass der alleinerbende Überlebende von ihnen keinerlei Verfügungsbeschränkungen zu Lebzeiten unterliege. Auch aus den von den Beteiligten vorgetragenen Indizien - hier die 13 Jahre nach Testa...

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