Entscheidungsstichwort (Thema)

Formularmäßige Gerichtsstandklausel unter Kaufleuten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gerichtsstandsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwischen Kaufleuten sind grundsätzlich nicht wegen eines Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam.

2. Ein Verweisungbeschluss, in dem das Gericht eine hiervon abweichende Auffassung vertritt, ist nicht willkürlich und bindet das Gericht, an das verwiesen worden ist.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG Darmstadt (Aktenzeichen 312 C 200/06)

AG Pinneberg (Aktenzeichen 72 C 82/06 (A))

 

Tenor

Zum zuständigen Gericht wird das AG Darmstadt bestimmt.

 

Gründe

Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus einem Anzeigenauftrag 229,68 EUR nebst Zinsen geltend. Das Auftragsformular verweist auf die umseitig aufgedruckten AGB, deren Nr. 18 bestimmt, dass im Geschäftsverkehr mit Kaufleuten bei Klagen Gerichtsstand der Sitz des Verlages ist. Dementsprechend war im Mahnbescheidsantrag als Gericht, vor dem ein streitiges Verfahren durchzuführen ist, das AG Pinneberg angegeben. Das AG Pinneberg hat nach Abgabe der Sache an die Prozessabteilung die Parteien darauf hingewiesen, dass es die Gerichtsstandsvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 307 BGB für unwirksam und sich deshalb für örtlich unzuständig halte. Es hat sich auf den Hilfsantrag der Klägerin durch Beschluss vom 20.4.2006 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das "örtlich zuständige" AG Darmstadt verwiesen. Dieses hat die Übernahme des Verfahrens durch Beschluss vom 16.5.2006 abgelehnt. Daraufhin hat das AG Pinneberg die Sache dem OLG Schleswig in Schleswig zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

Die Vorlage ist nach § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO im Rahmen eines negativen Kompetenzkonfliktes zulässig. Zum zuständigen Gericht war das AG Darmstadt zu bestimmen.

An sich war das AG Pinneberg auf Grund der Gerichtsstandsvereinbarung nach Nr. 18 AGB örtlich zuständig. Diese Klausel ist entgegen seiner Meinung nicht wegen eines Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam. Der Senat folgt der nahezu einhellig in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung, wonach Gerichtsstandsklauseln in AGB zwischen Kaufleuten grundsätzlich wirksam sind (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 307 Rz. 107, m.w.N.). Die Begründung der abweichenden Meinung - soweit ersichtlich, wurde diese vor etlichen Jahren lediglich vom LG Karlsruhe vornehmlich in zwei Entscheidungen vertreten (LG Karlsruhe v. 31.10.1995 - 12 O 492/95, JZ 1989, 690; v. 31.10.1995 - 12 O 492/95, NJW 1996, 1417) - vermag nicht zu überzeugen. Sie ist bereits mehrmals zutreffend im Einzelnen widerlegt worden (vgl. z.B. Wolf in der Anm. zu LG Karlsruhe v. 31.10.1995 - 12 O 492/95, JZ 1989, 690 [695]; Fischer, MDR 2000, 682 [683]; unter Hinweis auf Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., Anh. §§ 9 bis 11 Rz. 402). Sie schränkt die grundsätzlich nach § 38 ZPO und Art. 17 EuGVVO gesetzlich eröffnete und praktisch übliche Wahl des Gerichtsstandes übermäßig ein, dramatisiert die "Last der Auswärtsprozessführung" für Vollkaufleute und bedient sich bei der Inhaltskontrolle des in diesem Zusammenhang nicht statthaften Arguments, dass es im Allgemeininteresse liege, den mit der Einbeziehungsfrage verbunden gerichtlichen Prüfungsaufwand zu vermeiden. Ein Schutzbedürfnis für den Vertragspartner entfällt auch deshalb, weil er als Kaufmann selbst AGB mit Abwehr - und Ausschließlichkeitsklauseln aufstellen kann. Hieran ändert auch nichts der Umstand, dass vorliegend Gerichtsstand der (jeweilige) Sitz des Verlages der Klägerin sein soll. Weshalb er an seinem früheren Sitz klagen soll, zu dem keine Beziehung mehr besteht, ist nicht einzusehen, desgleichen nicht, weshalb die Wahrnehmung seiner Rechte durch den Vertragspartner, der sich ohnehin mit der Abbedingung des gesetzlichen Gerichtsstandes einverstanden erklärt hat, hierdurch unzumutbar beschränkt wird. Mit dem Eingang der Akten beim AG Pinneberg war die Wahl dieses Gerichtsstandes grundsätzlich auch bindend geworden.

Allerdings sind im Bestimmungsverfahren die Bindungswirkungen von Verweisungsbeschlüssen nach § 281 Abs. 2 Nr. 4 ZPO zu beachten. Das AG Pinneberg hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 20.4.2006 an das AG Darmstadt verwiesen. Dieser Beschluss ist bindend, weil er nicht willkürlich ist und auch den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs gewahrt hat. Zwar sind die genannten vereinzelt gebliebenen Entscheidungen des LG Karlsruhe jeweils durch das Berufungsgericht geändert (vgl. zuletzt OLG Karlsruhe v. 22.3.1996 - 10 U 249/95, NJW 1996, 2041) und in der durchaus ernst zu nehmenden Kritik als "abwegig" (Fischer, MDR 2000, 682 [683]) bzw. als ein "an Don Quijote erinnernder Kampf gegen Gerichtsstandsklauseln im kaufmännischen Verkehr" (Heinrichs, NJW 1997, 1407 [1412], Fn. 141) bezeichnet worden, und hat sich Fischer deshalb dafür ausgesprochen, eine auf diese Auffassung gestützte Verweisung als willkürlich anzusehen. Andererseits vertritt der BGH die Auffassung, dass w...

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