Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Entlassung des Testamentsvollstreckers im Einzelfall trotz zunächst pflichtwidrig verweigertem Nachlassverzeichnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch die zunächst pflichtwidrig verweigerte und erst verspätet auf gerichtlichen Hinweis erfolgte Anfertigung eines Nachlassverzeichnisses kann sich nach den Umständen des Einzelfalls noch nicht als grobe Pflichtverletzung eines Testamentsvollstreckers i.S.v. § 2227 BGB darstellen.

2. Im Rahmen des gerichtlichen Ermessens nach § 2227 BGB kann auch bei grober Pflichtverletzung von der beantragten Entlassung des Testamentsvollstreckers abgesehen werden, wenn dem Erblasser die Testamentsvollstreckung gerade durch die fragliche Person besonders wichtig war, persönliche Auseinandersetzungen zwischen ihr und den (übrigen) Erben für den Erblasser voraussehbar waren und prognostisch eine besondere Gefährdung der Erben durch die weitere Tätigkeit des Testamentsvollstreckers nicht zu erwarten ist.

 

Normenkette

BGB §§ 2216-2219, 2215, 2227

 

Verfahrensgang

AG Ratzeburg (Aktenzeichen 7 VI 435/14)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1. trägt die Kosten nach einem Geschäftswert von 7.000,00 EUR.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die Kinder der Erblasserin. Der Vater der Beteiligten, ihr Ehemann, ist am 13.5.2010 vorverstorben.

Die Ehegatten hatten am 22.2.2000 ein notarielles Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu 27/28 als Erben einsetzten und für den restlichen 1/28 Erbteil ihre Tochter X, die Beteiligte zu 7., zur Vorerbin bestimmten. Als Nacherben setzten sie den längstlebenden Ehegatten und ersatzweise die Beteiligten zu 1., 2. und 5. zu unterschiedlichen Anteilen ein. Für die Erbfolge nach dem längstlebenden Ehegatten ordneten sie eine Schlusserbschaft durch ihre sieben Kinder nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge an. Auch in diesem Fall sollte die Tochter X allerdings nur Vorerbin sein, Nacherben waren auch hier die Beteiligten zu 1., 2. und 5.

Für die Dauer der Vorerbschaft in beiden Fällen ordneten sie Testamentsvollstreckung durch die Beteiligte zu 5., ersatzweise die Beteiligte zu 2. an. Der Testamentsvollstreckerin machten sie nähere Vorgaben zur Verwaltung des Erbteils der Beteiligten zu 7. Außerdem bestimmten sie auch Testamentsvollstreckung über den Nachlass des längstlebenden Ehegatten. Zur Testamentsvollstreckerin setzten sie die Beteiligte zu 1. ein. Dem längstlebenden Ehegatte blieb vorbehalten, diese Testamentsvollstreckung zu modifizieren, zu widerrufen oder eine andere Person damit zu betrauen. Aufgabe der Testamentsvollstreckerin sollte die Leitung und Durchführung der Erbauseinandersetzung sein. Abschließend billigten sie der Testamentsvollstreckerin über den Nachlass des Längstlebenden, der Beteiligten zu 1., eine Vergütung von 2.000,00 EUR zu und der Testamentsvollstreckerin über den der Vorerbin zufallenden Anteil in Höhe von 3.000,00 EUR. Die Bestimmungen im Einzelnen sind der Abschrift der Testamentsurkunde auf Bl. 30 bis 34 der Akte zu entnehmen.

Mit gemeinschaftlichem handschriftlichem Testament vom 1.9.2000 trafen sie ergänzende Anordnungen zum Vorgehen bei der Nachlassaufteilung. Die Vergütung der Beteiligten zu 1. als Testamentsvollstreckerin erhöhten sie auf 3.000,00 EUR. Außerdem trugen sie ihr die Sorge für sämtliche Beisetzungsangelegenheiten einschließlich einer 30-jährigen Grabpflege beider Elterngräber auf, wofür sie eine Kostenentschädigung von 13.000,00 DM erhalten sollte. Außerdem trafen sie in gesonderter Urkunde eine Vermächtnisanordnung zugunsten der Beteiligten zu 1., die den gesamten Hausrat nebst Einrichtung der Tischlerei mit Materialien erhalten sollte. Auf die Urkundenabschriften auf Bl. 40 und 51 d.A. wird verwiesen.

Mit einseitiger handschriftlicher Verfügung vom 3.5.2011 erklärte die Erblasserin den Widerruf ihrer bis zu diesem Tage erstellten Verfügungen und Vermächtnisse. In der Widerrufserklärung heißt es weiter, dass die gemeinsame Tochter A, die Beteiligte zu 1., nicht länger mit ihrer Testamentsvollstreckung vertraut sein solle. Mit notariellem Testament vom 3.8.2012 (Bl. 44 - 46 d.A.) widerrief die Erblasserin erneut die Einsetzung der Beteiligten zu 1. zur Testamentsvollstreckerin nach dem Längstlebenden und setzte stattdessen die Beteiligte zu 2. ein.

Die Erblasserin lebte bis November 2011 in ihrem Haus in B. Im November 2011 zog sie zunächst in eine Wohnung mit Betreuung nach C und sodann zu der Beteiligten zu 5. nach D. Bis zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt im Jahr 2011 wohnte die Beteiligte zu 1. bei ihr im Haus.

Nach dem Tode der Erblasserin erklärte die Beteiligte zu 5., dass sie das Amt der Testamentsvollstreckerin über den Erbteil ihrer Schwester X nicht annehme, sondern an die Beteiligte zu 1. "abtrete" (Bl. 55 d.A.). Die Beteiligte zu 2. hat am 13.8.2013 gegenüber dem AG Ratzeburg erklärt, das Amt der Testamentsvollstreckerin sowohl hinsichtlich dieses Erbteils als auch hinsichtlich des Nachlasses der Erblasserin anzunehmen. Sie hat außerdem die ...

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