Entscheidungsstichwort (Thema)

Freiheitsentziehende Unterbringung. örtliche Zuständigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Erachtet die zuständige Behörde die Gefahrenabwehr als so dringlich, dass sie die sofortige Unterbringung eines Minderjährigen nach dem PsychKG in einer auswärtigen Einrichtung vornimmt, wird nach § 313 Abs. 3 S. 2 FamFG die örtliche Zuständigkeit desjenigen Gerichts begründet, in dessen Bezirk diese Einrichtung liegt. Dieser Konsequenz kann die Behörde nicht ihrerseits entgegenwirken, indem sie im zeitlichen Zusammenhang mit der Sofortunterbringung den Antrag auf richterliche Anordnung der geschlossenen Unterbringung gleichwohl bei dem Amtsgericht einreicht, in dessen Bezirk i.S.d. § 313 Abs. 3 S. 1 FamFG die Gefahrensituation hervorgetreten ist. Entsprechend der allgemeinen Vorschrift des § 2 Abs. 1 FamFG ist für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit vielmehr auf die Verhältnisse zu dem Zeitpunkt abzustellen, in dem das Gericht mit der Sache befasst wird.

 

Orientierungssatz

Örtliche Zuständigkeit bei Unterbringung eines Minderjährigen nach PsychKG

 

Normenkette

FamFG §§ 2, 312-313

 

Verfahrensgang

AG Schleswig (Aktenzeichen 92 F 179/12)

 

Tenor

Zuständig ist das Amtsgericht - Familiengericht - Schleswig.

 

Gründe

Das zuständige Familiengericht ist in einem Verfahren zu bestimmen, das die freiheitsentziehende Unterbringung eines Minderjährigen nach dem Gesetz für psychisch Kranke (PsychKG) betrifft.

I.

Die Beteiligte zu 1. hat als Kreisgesundheitsbehörde am 19. Mai 2012, einem Samstag, beim Amtsgericht Schleswig um 1:45 Uhr per FAX einen Antrag auf Anordnung der freiheitsentziehenden Unterbringung des betroffenen siebzehnjährigen Jugendlichen nach dem schleswig-holsteinischen Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen (PsychKG) gestellt. Der Jugendliche befand sich an diesem Tag zunächst auf dem 1. Polizeirevier in Flensburg und seit 3:00 Uhr in der Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Schleswig. Das Amtsgericht Flensburg, für das mit dem Amtsgericht Schleswig ein gemeinsamer Bereitschaftsdienstplan besteht, hat durch Beschluss vom 19. Mai 2012 im Wege einstweiliger Anordnung mit einem seit 10:40 Uhr wirksamen Beschluss die Unterbringung des Jugendlichen aufgrund § 7 PsychKG angeordnet. In dem Beschluss hat es sich als Bereitschaftsgericht bezeichnet. Das Familiengericht Schleswig hat den Jugendlichen am 21. Mai 2012 angehört und den Antrag auf dessen Unterbringung mit einem am 24. Mai 2012 der Geschäftsstelle übergebenen Beschluss mit der Begründung zurückgewiesen, der an das Amtsgericht Schleswig gerichtete Antrag auf Unterbringung sei unzulässig, weil bereits eine Entscheidung in derselben Sache ergangen sei. Am 24. Mai 2012 wurde der Jugendliche aus der Fachklinik nach einer telefonischen Mitteilung des behandelnden Arztes mit der Begründung entlassen, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung nicht mehr vorlägen. Gegen den Beschluss vom 19. Mai 2012 haben der Jugendliche und sein Verfahrensbeistand Beschwerde eingelegt.

Das Familiengericht Flensburg hält das Familiengericht Schleswig für zuständig, weil der Jugendliche sich zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits in der Fachklinik Schleswig befunden habe. Das Familiengericht Schleswig hat die Übernahme des Verfahrens mit der Begründung abgelehnt, vorrangig zuständig sei nach § 313 Abs. 1 Nr. 2 FamFG das Familiengericht Flensburg, in dessen Bezirk der Jugendliche seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Im Bereitschaftsdienst habe das Amtsgericht Flensburg ein eigenes Dienstgeschäft und kein solches des Amtsgerichts Schleswig wahrgenommen.

II.

Zuständig ist nach §§ 313 Abs. 3 Satz 2, 312 Nr. 3, 167 Abs. 1 Satz 1, 151 Nr. 7 FamFG das Amtsgericht - Familiengericht - Schleswig.

1. Nach § 151 Nr. 7 FamFG sind Kindschaftssachen die dem Familiengericht zugewiesenen Verfahren, die die Anordnung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker betreffen. In solchen Verfahren sind nach § 167 Abs. 1 Satz 1 FamFG die für Unterbringungssachen nach § 312 Nr. 3 FamFG geltenden Vorschriften anzuwenden. Für Unterbringungen nach § 312 Nr. 3 FamFG ist nach § 313 Abs. 3 Satz 1 FamFG ausschließlich zuständig das Gericht, in dessen Bezirk das Bedürfnis für die Unterbringungsmaßnahme hervortritt. Befindet sich der Betroffene bereits in einer Einrichtung zur freiheitsentziehenden Unterbringung, ist nach § 313 Abs. 3 Satz 2 FamFG das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Einrichtung liegt.

Die maßgebende Weichenstellung für die örtliche Zuständigkeit nimmt danach die zuständige Behörde durch die Wahl der von ihr getroffenen Maßnahme vor. Veranlasst sie eine richterliche Entscheidung bereits an dem Ort, an dem der Betroffene auffällig geworden ist, bleibt es bei der Zuständigkeit des Gerichts des örtlichen Unterbringungsbedürfnisses. Erachtet die zuständige Behörde die Gefahrenabwehr als so dringlich, dass sie die sofortige Unterbringung des Betrof...

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