Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. stationäre Unterbringung. Einkommenseinsatz in angemessenem Umfang gem § 82 Abs. 4 S. 2 SGB 12 aF. Freilassung des angemessenen Barbetrags zur persönlichen Verfügung. keine Erhöhung des Mindestbetrags aufgrund der Geltendmachung von Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente

 

Orientierungssatz

1. Die Heranziehung von Einkommen nach § 82 Abs 4 S 2 SGB 12 aF soll "in angemessenem Umfang" erfolgen. Als Anhaltspunkt für die Angemessenheit kann dienen, dass in Dauerunterbringungsfällen bei alleinstehenden Leistungsempfängern meist die Gewährung des ohnehin als Leistung der Sozialhilfe zu erbringenden Barbetrags iS des § 35 Abs 2 SGB 12 aF ausreicht, um die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen, so dass eine zusätzliche Freilassung von Einkommensteilen nicht notwendig ist.

2. Geltend gemachte Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente rechtfertigen nicht die Gewährung eines höheren Barbetrags iS des § 35 Abs 2 S 2 SGB 12 aF als des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbetrags.

 

Normenkette

SGB XII § 82 Abs. 4 S. 2 Fassung: 2005-03-21, § 35 Abs. 2 S. 2 Fassung: 2003-12-27, § 19 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2003.-12-27, § 42 S. 1 Nrn. 1-3

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.08.2013; Aktenzeichen B 8 SO 17/12 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 29. September 2010 wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die vollständige Anrechnung ihrer Erwerbsminderungsrente auf die Leistungen des Beklagten während einer stationären Betreuung und begehrt zudem einen höheren Barbetrag.

Die 1962 geborene Klägerin leidet an einer Persönlichkeitsstörung, dem Borderline-Syndrom. Nach Entlassung aus der Fachklinik B. drohte ihr Obdachlosigkeit. Sie stellte daraufhin am 5. Oktober 2005 einen Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe. Mit Wirkung vom 10. November 2005 wurde sie im Rahmen stationärer Betreuung im Wohnheim der Ba. Schleswig-Holstein in H. aufgenommen.

Mit Bescheid vom 14. November 2005 übernahm der Beklagte die Kosten der stationären Betreuung der Klägerin für die Zeit vom 10. November 2005 bis 31. Mai 2006 und gewährte ihr einen Barbetrag in Höhe von 89,70 EUR monatlich. Zur teilweisen Deckung der Kosten nahm der Beklagte die Erwerbsminderungsrente der Klägerin auf Grundlage von § 88 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung in Anspruch. Er führte dazu aus, dass es der Klägerin zuzumuten sei, ihr Einkommen in voller Höhe zur Deckung der stationären Betreuungskosten einzusetzen. Für die Zeit vom 10. November 2005 bis zur Zahlungsumstellung war die Klägerin aufgefordert worden, ihre Einkünfte an den Beklagten zu überweisen; anschließend wurde die Rente der Klägerin unmittelbar an den Beklagten gezahlt.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2005, beim Beklagten eingegangen am 13. Dezember 2005, legte die Klägerin Widerspruch dagegen ein, dass ihre Erwerbsminderungsrente vollständig zur Kostendeckung verwendet wurde. Außerdem reiche der ihr gezahlte Barbetrag nicht aus, um ihre Kosten zu decken. Sie benötige Bargeld, um Arzneimittel - etwa bei starken Erkältungen - und Lebensmittel außerhalb der “H.er Tafel„ kaufen zu können. Sie, die Klägerin, bemängele, dass die Speisen in der Einrichtung streng rationalisiert seien, und beanstande Ausstattung der Einrichtung sowie Verpflegung, Hygiene und Betreuungsleistungen.

Nach Anhörung mit Schreiben vom 31. März 2006 wies der Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 24. Mai 2006, der Klägerin zugestellt am 2. Juni 2006, als unbegründet zurück. Zur Begründung hieß es darin, dass der notwendige Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen nach § 35 SGB XII den darin erbrachten sowie den weiteren notwendigen Lebensunterhalt umfasse. Der notwendige Lebensunterhalt entspreche dem Umfang der Leistungen der Grundsicherung nach § 42 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII und betrage in ihrem Falle 659,85 EUR. Der weitere notwendige Lebensunterhalt umfasse insbesondere Kleidung und einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung. Ihr Einkommen aus monatlicher Rente in Höhe von zunächst 525,77 EUR, ab 1. April 2006 in Höhe von 523,44 EUR, sei für den notwendigen Lebensunterhalt in der Einrichtung aufzuwenden. Anspruchsgrundlage sei § 82 Abs. 4 SGB XII, wonach die Aufbringung der Mittel für Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII von einer Person verlangt werden könne, die in einer teilstationären oder stationären Einrichtung lebe, soweit Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart würden.

Am Montag, dem 3. Juli 2006, hat die Klägerin dagegen Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben und ihre Begründung aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,

den Bescheid vom 14. November 2005 in der Fassung des Widerspr...

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