Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarzt. Honorarbescheid. Zustellung. teilbarer Verwaltungsakt. Bestandskraft

 

Orientierungssatz

1. Von einer die Frist auslösenden Zustellung kann schon aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht ausgegangen werden, wenn das Schriftstück von der absendenden Behörde innerhalb der von der Zustellung ausgelösten Frist zurückgefordert wird, auch wenn es unverändert erneut zur Zustellung kommt und lediglich Anlagen vervollständigt werden.

2. Ein Verwaltungsakt ist teilbar, wenn einzelne Teile selbstständig und unabhängig voneinander stehen bleiben oder aufgehoben werden können, wenn sie nicht in einem derartigen Zusammenhang zueinander stehen, dass das Schicksal des einen Teils unabdingbar mit dem anderen Teil verbunden ist.

3. Die in § 77 SGG bestimmte Bestandskraft eines Verwaltungsaktes findet auch Anwendung auf teilweise angefochtene Bescheide.

4. Greift ein Vertragsarzt die Honorarbescheide in der Fassung des Widerspruchsbescheides allein und ausschließlich im Hinblick auf die Kürzung wegen der Überschreitung des Praxisbudgets an, sind diese im übrigen bestandskräftig geworden. Von dieser Bestandskraft erfasst werden auch die Punktwerte der Laborleistungen, da diese nicht zum angefochtenen Teil "Überschreitung des Praxisbudgets", bei dem es um die Punktzahl ging, gehörten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.02.2005; Aktenzeichen B 6 KA 77/03 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Honorarabrechnung für das Quartal III/97.

Der Kläger ist Gynäkologe mit eigenem Labor und zwei Abrechnungsnummern. Die Arztnummer für das Labor lautet 0110899, die für die Tätigkeit als Frauenarzt 0110123. Er ist in A niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Honorarabrechnungen für das Quartal III/97 jeweils vom 23. Februar 1998 enthielten als Honorarsumme 58.831,34 DM für die frauenärztliche Tätigkeit und 177.978,16 DM für das Labor. Am 19. März 1998 erhielt die Beklagte von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Honorarbescheid für das Quartal III/97 vom 23. Februar 1998 einen Widerspruch mit dem Zusatz, die "Begründung wird, sobald ich den Honorarbescheid abschließend prüfen konnte" gesondert erfolgen. Im Anschluss an den Namen des Klägers ist die Abrechnungsnummer 0110899 aufgeführt. Mit Schreiben vom 27. August 1998 erinnerte die Beklagte an die angekündigte Widerspruchsbegründung unter Fristsetzung. Nach deren Ablauf wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 1998 und Angabe der Abrechnungsnummer 0110899 zurück, da keine Gründe zu erkennen seien, die zu einer gänzlichen oder teilweisen Aufhebung der Honorarabrechnung hätten führen können.

Hiergegen hat der Kläger spätestens am 4. Dezember 1998 Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben "wegen: Honorarabrechnung III/97". Mit Schriftsatz vom 3. Februar 1999 hat er zur Begründung vorgetragen: Er greife die Honorarkürzungen an, die die Beklagte wegen Überschreitung des Praxisbudgets vorgenommen habe. Deswegen sei es zu einer Kürzung von 162.975,8 Punkten sowie 14.184,4 Punkten im Laborbereich und 49.513,6 Punkte hinsichtlich des gewährten Zusatzbudgets gekommen. Dies sei rechtswidrig und aufzuheben. Die Klage richte sich zunächst grundsätzlich gegen die Rechtswidrigkeit der im EBM vereinbarten Praxisbudgets, denen die gesetzliche Ermächtigung fehle. Außerdem komme es durch die Einführung der Praxisbudgets zu einer pauschalen und schematischen Begrenzung des ärztlichen Honorars, durch das er in seinen verfassungsmäßigen Rechten aus Art. 3, 12 und 14 des Grundgesetzes verletzt werde. Es sei der Beklagten bekannt, dass der Kläger neben den üblichen frauenheilkundlichen Leistungen auch ein zytologisches Einsendelabor vorhalte. Auf Grund der geringen Anzahl solcher Speziallabors im Bereich der Beklagten sei das Labor besonders wichtig für die Aufrechterhaltung einer hochwertigen und spezialisierten ambulanten Versorgung der Versicherten. Die Erbringung der zytologischen Leistungen erfordere eine gesonderte Abrechnungsgenehmigung, für die ab 1996 sogar das Ablegen einer erneuten Prüfung auch für Inhaber von Altgenehmigungen erforderlich gewesen sei, weil diese Leistungen besonders schwierig zu erbringen und für die Patientinnen von entscheidender Bedeutung seien. Diese Leistungen hätten deshalb nicht zu den üblichen, sondern zu gestützten Punktwerten vergütet werden müssen, damit sie auch in Zukunft noch wirtschaftlich erbringbar seien. Der angegriffene Widerspruchsbescheid könne auch nicht auf den Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten gestützt werden, da dieser ebenfalls rechtswidrig sei. Er beruhe auf einem EBM, mittels dessen der Bewertungsausschuss widerrechtlich Praxisbudgets eingeführt habe. Der HVM verletze das Gebot der Verteilungsgerechtigkeit, indem er durch eine Topfbildung das Punktwertrisiko und die Abstaffelungsgrenzen fachgruppenbezogen gestalte. Er knüpfe damit nicht mehr an den Leistungen an; die Leistungssteigerung führe vielmehr umgekehrt zu B...

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