Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Schleswig vom 19.8.2003 - L 1 KR 73/02, das vollständig dokumentiert ist.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 24. Mai 2002 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat der Beklagten die Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten. Insoweit wird das angefochtene Urteil geändert.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung des Pflegesatzes für eine stationäre Behandlung gegenüber der Beklagten hat.

Der 1997 geborene und bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte S____ Sa______ erschien am 16. August 1999 um 07.14 Uhr mit der Diagnose Abnutzung der Zähne und Angstneurose in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Klägerin. Unter Intubationsnarkose wurden die Zähne 55, 53, 52, 51, 61, 62, 63 und 64 gezogen, die Zähne 54, 65, 75, 74, 84 und 85 wurden gefüllt. Nach einem komplikationsfreien postoperativen Verlauf wurde er gegen 17.00 Uhr entlassen. Mit Rechnung vom 18. August 1999 berechnete die Klägerin der Beklagten für den Krankenhausaufenthalt den Abteilungspflegesatz in Höhe von 834,76 DM und den Basispflegesatz von 141,97 DM, insgesamt 976,73 DM. Mit Schreiben vom 9. September 1999 wies die Beklagte diese Rechnung mit der Begründung zurück, eine stationäre Behandlung erfordere einen Aufenthalt des Patienten über Tag und Nacht. Es liege eine ambulante Behandlung vor, wenn ein Patient am selben Tag komme und gehe, insbesondere wenn er die Nacht vor und nach dem Eingriff nicht im Krankenhaus, sondern im eigenen Bett verbringe. Sie holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 25. September 2000 ein, der ausführte, die Behandlung des Versicherten in Vollnarkose sei nicht notwendig gewesen. Es seien acht Zähne entfernt und sechs Zähne konservierend versorgt worden. Dies sei keine Indikation für eine stationäre Behandlung, für die auch keine allgemeinmedizinischen Risikofaktoren sprächen. Eine stationäre Behandlung sei also nicht notwendig. Unter Bezugnahme auf diese Stellungnahme lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Schreiben vom 19. Oktober 2000 erneut ab und erbat eine Abrechnung auf der Grundlage einer ambulanten Operation.

Am 25. Februar 2001 hat die Klägerin beim Sozialgericht Kiel Klage erhoben und ausgeführt, wegen der spezifischen emotionalen Störung des Versicherten, nämlich seiner übergroßen Ängstlichkeit vor dem Eingriff, sei eine ambulante Behandlung in Lokalanästhesie nicht möglich gewesen. Nach der Entfernung der acht Zähne und der Versorgung der sechs weiteren Zähne habe er in der Fachabteilung, in der er schon während der umfangreichen Prämedikation ein Bett belegt habe, medizinische und pflegerische Betreuung erhalten und sei für die Entlassung versorgt worden. Sie hat ausgeführt, mit der Durchführung der medizinischen Behandlung sei der Kostenübernahmeanspruch des Versicherten gegenüber der Beklagten entstanden und auf sie als Leistungserbringer übergegangen. Der abstrakte Sachleistungsanspruch sei durch die behandelnden Ärzte konkretisiert worden. An deren Entscheidung sei die Beklagte als Krankenversicherungsträger gebunden, sofern keine vermeidbare Fehlentscheidung vorliege, indem die behandelnden Ärzte vorausschauend hätten erkennen können, dass die Beschwerden nicht die Mittel eines Krankenhauses erforderten. Eine derartige offensichtliche und schuldhaft-fehlerhaft getroffene Arztentscheidung liege hier nicht vor. Denn zusätzlich zu den zahnmedizinischen Gesundheitsstörungen sei die für das Kindes- und Jugendalter typische übergroße Ängstlichkeit als emotionale Störung festgestellt worden. Dies habe das Vorgehen erforderlich gemacht. Die Höhe des Anspruchs ergebe sich aus den normativen und vertraglichen Vorschriften. Es habe sich dabei um eine vollstationäre Behandlung gehandelt, denn der Versicherte habe ärztliche Behandlung und Versorgung, Krankenpflege, Unterkunft und Verpflegung erhalten. Sie hat die Behandlungsunterlagen betreffend den Versicherten vorgelegt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 976,73 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 1 Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz p.a. ab Rechtshängigkeit zu zahlen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt, ein Vergütungsanspruch der Klägerin sei nicht umstritten, die Abrechnung müsse jedoch berichtigt werden. Auch ohne eine gesetzliche Definition grenzten sich die Begriffe der ambulanten und der stationären Behandlung voneinander ab. Eine stationäre Behandlung erfordere, dass der Patient ununterbrochen Tag und Nacht im Krankenhaus bleibe und sich der Lebensmittelpunkt für die Dauer der Behandlung in das Krankenhaus verlagere. Diese Verlagerung fehle bei der typischen ambulanten Behandlung, bei der der Patient das Krankenhaus am selben Tag aufsuche und verlasse. Aus de...

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