Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung. Zahlungen aus titulierter Schadensersatzforderung aus außergerichtlichem Vergleich wegen Vermögensschadens nach unerlaubter Handlung. Unterschlagung von Baumaschinen. Verzugs- oder Prozesszinsen. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 14 AS 20/17 R

 

Orientierungssatz

1. Für die Frage, ob eine Einnahme gem § 11 SGB 2 als Einkommen zu berücksichtigen ist, ist von dem tatsächlichen Zufluss in wertender Betrachtung abzuweichen, wenn durch die Verwertung bzw Veräußerung von Vermögensgegenständen lediglich eine Vermögensumschichtung erfolgt. Nach der modifizierten Zuflusstheorie ist eine Schadensersatzforderung dann nicht als Einkommen zu qualifizieren, wenn diese lediglich eine frühere Vermögenslage wiederherstellt. Dem steht auch § 11a Abs 2 SGB 2 nicht entgegen.

2. Enthalten die Zahlbeträge aus der Schadensersatzforderung auch Verzugs- oder Prozesszinsen, so sind die auf die Zinsen entfallenden Beträge der Zahlungen gem § 11 SGB 2 grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen. Hat der Forderungsschuldner jedoch - wie hier - keine Tilgungsbestimmungen getroffen, so werden, wenn die Leistung zur Tilgung der Schuld nicht ausreicht, die gezahlten Leistungen zunächst auf Kosten und/oder Zinsen und zuletzt auf die Hauptforderung angerechnet. Im vorliegenden Fall waren die Kosten und Zinsen dadurch bereits getilgt, die Teilzahlungen aus der Schadensersatzforderung erfolgten ausschließlich auf die Hauptforderung und waren daher gem § 12 SGB 2 in voller Höhe dem Vermögen zuzuordnen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 09.08.2018; Aktenzeichen B 14 AS 20/17 R)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 16. September 2014 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 31. Januar - 30. Juni 2013. Er wendet sich gegen die leistungsmindernde Einkommensanrechnung von monatlichen Teilzahlungen, die ihm aufgrund einer titulierten Schadensersatzforderung aus unerlaubter Handlung aus einem außergerichtlichen Vergleich zufließen.

Der im Januar 1960 geborene Kläger, der früher als Kleinunternehmer im Baubereich tätig war, hatte am 1. November 2001 eine Schadensersatzklage beim Landgericht Kiel gegen Herrn S. T. (im Folgenden: Schuldner) eingereicht und begehrte die Zahlung von 30.000,00 DM (15.338,57 EUR) wegen unterschlagener Baumaschinen und Baumaterial. Das Landgericht Kiel erließ am 22. März 2002 ein stattgebendes Versäumnisurteil. Vor der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen aus diesem Versäumnisurteil gegen den nunmehr in N. lebenden Schuldner schloss der Kläger mit diesem am 5. Oktober 2009 einen Vergleich, in dem sich der Schuldner zur Zahlung von 12.000,00 EUR zahlbar in monatlichen Raten à 150,00 EUR verpflichtete. Dem voraus gingen Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers an den Schuldner vom 10. September 2009, in dem es u.a. hieß: “Im Ergebnis können wir mitteilen, dass unsere Mandantschaft grundsätzlich mit einem Vergleichsbetrag in Höhe von 8.000,00 EUR einverstanden ist. … Er wäre bereit auf 1/3 der Zinsforderung zu verzichten„, und vom 24. September 2009 des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers an den Kläger, in dem u.a. ausgeführt wurde: “Wir bitten noch einmal um Bestätigung, dass Sie mit dem Vergleichsbetrag in Höhe von 8.000,00 EUR zzgl. Zinsen bis zum 25. Juni 2006 in Höhe von 3.616,01 EUR, insgesamt also 11.616,01 EUR einverstanden sind.„ Der Schuldner nahm das Vergleichsangebot des Klägers vom 28. September 2009 in Höhe von 12.000,00 EUR mit Schreiben vom 5. Oktober 2009 an. Auf diese Vergleichssumme zahlte der Schuldner vereinbarungsgemäß seit dem 1. Januar 2010 monatliche Raten à 150,00 EUR, die seitdem und damit auch im streitgegenständlichen Zeitraum ohne Auslassung einer Rate gezahlt worden sind.

Der alleinstehende Kläger stand bei dem Beklagten zunächst im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 28. Februar 2010 im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Nach einer fast einjährigen Unterbrechung, in der der Kläger bedarfsdeckendes Einkommen aus einer befristeten sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit erzielte, bezog er wieder Leistungen nach dem SGB II ab dem 1. Februar 2011. Seit diesem Zeitpunkt berücksichtigte der Beklagte die monatlichen Teilzahlungen als Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II und rechnete diese nach Einkommensbereinigung bedarfsmindernd auf den Leistungsanspruch des Klägers an.

Für den Bewilligungszeitraum vom 1. Januar 2013 bis 30. Juni 2013 gewährte der Beklagte dem Kläger mit Bewilligungsbescheid vom 29. November 2012 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 645,65 EUR monatlich. Bedarfsseitig berücksichtigte der Beklagte den Regelbedarf für Alleinstehende in Höhe von 382,00 EUR und die tatsächlichen Ko...

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