Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 Abs 2 SGG. isolierte Kostenentscheidung. Ermessen. Veranlassungsprinzip. Erfolgsprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 Abs 2 SGG ist eine selbständige Streitsache mit der Folge, dass eine gesonderte Kostenentscheidung notwendig ist.

2. Die Kostenentscheidung in einem Verfahren nach § 199 Abs 2 SGG orientiert sich an § 193 SGG.

 

Normenkette

SGG § 193 Abs. 1 S. 3, § 199 Abs. 2, § 86b Abs. 1, § 184 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Verfahrens nach § 199 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung L 5 R 67/13 gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 31. Januar 2013, mit dem sie verurteilt wurde, bestimmte Zeiträume ohne Kürzung der Entgeltpunkte rentensteigernd zu berücksichtigen. In ihrer Berufungsbegründung hat sie darüber hinaus zunächst beantragt, die Vollstreckung aus dem Urteil gemäß § 199 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszusetzen. Ihr Interesse am Schutz vor einer Vollstreckung überlagere das Vollstreckungsbedürfnis des Klägers, weil sie im Falle der Aufhebung des angefochtenen Urteils die aus öffentlichen Mitteln gewährten Leistungen gar nicht oder nur schwer zurückerhalten werde und die Erfolgsaussichten positiv zu werten seien.

Auf Anfrage des Senats hat der Kläger mitgeteilt, er beabsichtige nicht, aus dem sozialgerichtlichen Urteil zu vollstrecken. Wiederum auf gerichtliche Anfrage hat die Beklagte daraufhin mitgeteilt, der Antrag nach § 199 Abs. 2 SGG werde aufgrund der Erklärung des Klägers, aus dem Urteil nicht vollstrecken zu wollen, zurückgenommen. Daraufhin beantragt der Kläger, der Beklagten die Kosten des Verfahrens nach § 199 Abs. 2 SGG aufzuerlegen. Die Beklagte ist der Auffassung, dass zwar eine Kostenentscheidung zu treffen sei, aber nicht zu ihren Lasten, da erst durch Mitteilung des Klägers dessen fehlender Vollstreckungswille bekannt geworden sei.

II.

Der Antrag des Klägers, der Beklagten die Kosten des Verfahrens nach § 199 Abs. 2 SGG aufzuerlegen, ist zulässig und begründet.

Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Nach Satz 3 entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders beendet wird. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Beklagte hat ihren Antrag auf eine Entscheidung nach § 199 Abs. 2 SGG zurückgenommen, womit eine Erledigung des Verfahrens eingetreten ist. § 193 SGG findet darüber hinaus auch auf vom Hauptsacheverfahren unabhängige, selbstständige Verfahren Anwendung, in denen eine Kostenentscheidung notwendig ist. Um ein solches Verfahren handelt es sich bei dem Verfahren nach § 199 Abs. 2 SGG. Die Voraussetzungen einer isolierten Kostenentscheidung sind erfüllt.

In Rechtsprechung und Kommentierung zum SGG wird die Frage, ob das Verfahren nach § 199 Abs. 2 SGG einer isolierten Kostenentscheidung zugänglich ist, allerdings unterschiedlich beantwortet. Während diese Frage überwiegend bejaht wird (so z. B. Bayrisches LSG vom 16. Juli 1996 - L 1 AN 90/95 -; LSG Niedersachsen vom 12. Juni 1997 - L 4 S 2/97 -; BSG SozR 3-1500 § 199 Nr. 1; Leitherer in Meyer-Ladewig u. a., SGG-Kommentar § 199 Rz. 7c; Breitkreuz/Fichte, SGG-Kommentar § 199 Rz. 13; Hk-SGG/Groß, SGG-Kommentar § 199 Rz. 16; Jansen/Straßfeld, SGG-Kommentar § 199 Rz. 17; Hintz/Lowe, SGG-Kommentar § 184 Rz. 4), zumeist allerdings ohne weitergehende Begründung, wird von der Gegenansicht (LSG Berlin-Brandenburg vom 5. August 2009 - L 29 AS 1201/09 -; Rohwer-Kahlmann, SGG-Kommentar § 199 Rz. 19; Zeihe, SGG-Kommentar § 199 Rz. 11c; Hintz/Lowe, SGG-Kommentar § 199 Rz. 24) das Verfahren nach § 199 Abs. 2 SGG als unselbstständiges Zwischen- oder Nebenverfahren im Rahmen des Hauptsacheverfahrens angesehen und eine isolierten Kostenentscheidung aus diesem Grunde abgelehnt. Letztere Auffassung überzeugt nicht.

Hat ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung, so kann der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, nach § 199 Abs. 2 SGG die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen (Satz 1), wobei die Aussetzung und Vollstreckung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden kann (Satz 2). Die Anordnung ist unanfechtbar und kann jederzeit aufgehoben werden (Satz 3). Damit regelt diese Vorschrift ähnlich der des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abs. 1 SGG den Fall, dass das Gericht in den Fällen, in denen ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen kann. Dabei orientiert sich nach allgemeiner Auffassung die Entscheidung des Gerichts im Wesentlichen an den gleichen Maßstäben insoweit, als diese zwischen den widerstreitenden Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs und der ohne die Entsch...

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