0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

§ 72 a. F. wurde mit dem AföRG durch die Neufassung der Abs. 2 und 3 sowie die Einfügungen der Abs. 2a und 4 deutlich verändert. Der Gesetzgeber berücksichtigt damit die regelmäßig festzustellenden Unterschiede zwischen BAföG- und Berufsausbildungsbeihilfe-Förderberechtigten und die sich daraus ergebenden praktischen Schwierigkeiten bei der Berechnung der Leistung. Die Vorschrift ist durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) geändert. Die Vorschrift ist durch Art. 1 des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente v. 21.12.2008 (BGBl. I S. 2917) zum 1.1.2009 in Abs. 4 geändert worden. Die Änderung war rein redaktionell ohne praktische Auswirkungen. Zuletzt ist der Inhalt der Vorschrift mit Art. 2 Nr. 18 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt v. 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) mit Wirkung zum 1.4.2012 von § 72 in § 68 übertragen worden, ohne dass es dadurch zu inhaltlichen Veränderungen gekommen wäre.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift regelt Einzelheiten zur Vorausleistung der Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für die Fälle, in denen die unterhaltsberechtigten Eltern des Auszubildenden ihrer Unterhaltsverpflichtung nicht nachkommen (Abs. 1). Die Vorschrift bestimmt insbesondere, dass mit der Zahlung der BAB durch die Bundesagentur für Arbeit der Anspruch des Auszubildenden gegen seine Eltern auf die Agentur übergeht. Bei der Vorauszahlung der Berufsausbildungsbeihilfe handelt es sich um eine besondere Leistung; mit ihr soll ein Abbruch der Ausbildung nur deshalb, weil der errechnete Unterhalt der Eltern nicht gezahlt wird, vermieden werden (SG Berlin, Urteil v. 24.5.2013, S 58 AL 2119/10).

2 Rechtspraxis

2.1 Unterhaltsweigerung der Eltern (Abs. 1)

 

Rz. 3

Die Eltern sind nach dem bürgerlichen Unterhaltsrecht grundsätzlich verpflichtet, ihrem Kind während einer nach den Vorschriften der §§ 59 bis 76 förderungsfähigen Ausbildung die angemessenen Aufwendungen für den Lebensunterhalt und die Ausbildung zu tragen. Diese Ausbildungsverpflichtung der Eltern besteht auch unabhängig davon, ob der Auszubildende volljährig ist. Ist er hingegen verheiratet, besteht eine vorrangige Unterhaltsverpflichtung des Ehegatten (§ 1608 BGB). Die Vorausleistung wird grundsätzlich vom Beginn des Monats an erbracht, in dem der Auszubildende die nach Abs. 1 maßgeblichen Umstände mitgeteilt hat. Rückwirkend wird die Vorausleistung nur geleistet, wenn der Auszubildende die Verweigerung von Unterhaltsleistungen innerhalb von 2 Monaten nach Bekanntgabe des Bescheides mitteilt (Fachliche Weisungen der BA zu § 68, Stand: 1/2018). 

 

Rz. 4

Nach Abs. 1 Satz 1 wird nach Anhörung der Eltern ohne Anrechnung des Elterneinkommens BAB geleistet, wenn der Auszubildende glaubhaft macht, dass seine Eltern den nach dem SGB III angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisten. Gleiches gilt, wenn der Auszubildende glaubhaft macht, dass seine Eltern die erforderlichen Auskünfte nicht erteilen oder Urkunden nicht vorgelegt werden. Die Glaubhaftmachung ist keine Voraussetzung für das Entstehen des Vorausleistungsanspruchs, sondern lediglich eine Bewilligungsvoraussetzung (Bay. LSG, Urteil v. 21.9.2016, L 10 AL 17/16; Hassel, in: Brand, SGB III, § 68 Rz. 8; Brecht-Heitzmann, in: Gagel, SGB III, § 68 Rz. 15). Für die Glaubhaftmachung gegenüber der Agentur für Arbeit reicht es aus, wenn der Antragsteller schriftlich versichert, dass seine Eltern den nach diesem Buch angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisten (allg. Meinung, vgl. Brecht-Heitzmann, in: Gagel, SGB III, § 68 Rz. 16 m. w. N.). Die Frage der Notwendigkeit einer Vorauszahlung ist von der Agentur für Arbeit im Falle der Nichtleistung der Eltern nicht von Amts wegen zu prüfen (Hassel, in: Brand, SGB III, § 68 Rz. 4; Schön, in: Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, § 68 Rz. 7). Etwas anders gilt im Falle der 2. Alt. von Abs. 1 Satz 1, also in den Fällen, in denen das Einkommen der Eltern nicht berechnet werden kann (Wagner, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 68 Rz. 16; Brecht-Heitzmann, in: Gagel, SGB III, § 68 Rz. 20). Ein Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe erstreckt sich auch auf die Vorausleistung von BAB nach § 68. Eines weitergehenden gesonderten Antrags auf Vorausleistung nach § 68 bedarf es nicht (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 15.12.2011, L 11 AL 128/11B; Hassel, in: Brand, SGB III, § 68 Rz. 4; Brecht-Heitzmann, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 72 SGB III Rz. 15; Schön, in: Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, § 68 Rz. 8).

 

Rz. 4a

Für den Anspruch aus Vorausleistung ist es notwendig und ausreichend, dass der Auszubildende unverzüglich nach Bekanntwerden, welcher Unterhaltsbetrag seinen Eltern nach dem Gesetz angerechnet wird, glaubhaft macht, dass seine Eltern diesen Betrag nicht leisten. Diese Glaubhaftmachung setzt nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen voraus, dass der Auszubildende sein Vorleistungsbegehren möglichst bald, d. h. unverzüglich geltend machen muss. Soweit eine Erklärung "unverzüglich", d. h. ohne schuldhaftes...

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