Leitsatz

Ausgangssituation

Bei als Publikumspersonengesellschaften verfassten geschlossenen Immobilienfonds ist es in der Vergangenheit häufiger zu finanziellen Schieflagen gekommen. Während sich die Ursachen der Probleme meist in fehlerhaften Kalkulationsannahmen auf Kosten- und/oder Einnahmeseite finden lassen, stellt sich für die Gesellschafter in einer Sanierungssituation die Frage, ob sie es als lohnend erachten, zur Abwendung eines Verlusts ihrer ursprünglichen Investition frisches Geld nachzuschießen. Bei der Beurteilung, ob bei einer Sanierung gutes Geld schlechtem hinterher geworfen würde oder der Anlage insgesamt dadurch noch zu Erfolg verholfen wird, sind sich die zahlreichen Gesellschafter meistens nicht einig.

Da eine Nachschusspflicht grundsätzlich nicht besteht (§ 707 BGB) und auch üblicherweise nicht im Gesellschaftsvertrag geregelt ist, stellt sich die Frage, welche Mehrheit erforderlich ist, um einen Sanierungsbeschluss in der Gesellschafterversammlung zu schließen. Grundsätzlich gilt für Personengesellschaften das Einstimmigkeitsprinzip. Zur Sicherung der Handlungsfähigkeit ist bei Publikumsgesellschaften aber in der Praxis regelmäßig die Beschlussfassung mit Dreiviertelmehrheit vorgesehen. Fasst die Mehrheit den Beschluss, eine Kapitalerhöhung durchzuführen, verpflichtet dies einen opponierenden Gesellschafter nicht, sich hieran zu beteiligen. Die sanierungswillige Mehrheit will aber in der Praxis regelmäßig nicht hinnehmen, dass an der Sanierung nicht beteiligte Gesellschafter an späteren Gewinnen partizipieren, und möchte daher deren Ausschluss erreichen.

BGH-Entscheidungen zu "Sanieren oder Ausscheiden"

In den vor den Gerichten ausgetragen Streitfällen ging es jeweils darum, ob sanierungsunwillige Gesellschafter wirksam aus der Gesellschaft ausgeschieden sind. Sowohl in der Grundsatzentscheidung des BGH aus 2009 ("Sanieren oder Ausscheiden", BGHZ 183, 1 = NJW 2010 S. 65) als auch in der abgrenzenden Folgeentscheidung vom 25. Januar 2011 (II ZR 122/09, DStR 2011 S. 823) ging es um Fälle, in denen die Gesellschaft von nach ihrer Ansicht ausgeschiedenen Gesellschaftern den anteiligen Auseinandersetzungsfehlbetrag forderte (§ 739 BGB). Die beklagten Gesellschafter machten dagegen geltend, nicht aus der Gesellschaft ausgeschieden zu sein und der Gesellschaft daher auch keinen Verlustausgleich zu schulden.

Der BGH hat entschieden, dass für opponierende Gesellschafter durch einen Mehrheitsbeschluss keine wirksame Änderung des Gesellschaftsvertrags möglich ist, d.h. sofern der Gesellschaftsvertrag keine Regelung zum Ausscheiden (von Anfang an) enthält, können einzelne opponierende Gesellschafter nicht ausgeschlossen werden. Es bedarf eines einstimmigen Beschlusses.

Unabhängig von der Frage, ob ein Gesellschafter wirksam aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, kann der Gesellschafter u.U. aufgrund seiner gesellschafsrechtlichen Treuepflicht verpflichtet sein, einem "Sanierungsbeschluss" zuzustimmen.

 

Hinweis

Für die Beurteilung, ob die Mehrheit der Gesellschafter die sanierungsunwilligen Gesellschafter rechtlich wirksam vor die Alternative "Sanieren oder Ausscheiden" stellen kann, kommt es entscheidend auf die ursprünglich getroffenen Regelungen im Gesellschaftsvertrag an. Daher ist bei Personengesellschaften mit einer Vielzahl von Gesellschaftern wichtig, bereits bei der Gründung der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag für den Sanierungsfall vorzusorgen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 25.01.2011, II ZR 122/09

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